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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 59.1926-1927

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Weiser, Armand: Wiener Kleinigkeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9182#0204

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Wiener Kleinigkeiten

MIZI OTTEX-FRIEDMANN—WIEN. »KUPFER-EMAIL«

nehmen lassen. Es scheint fast, daß die zarte
künstlerische Gestaltungskraft des Wiener
Kunstgewerbes vor dem Reichtum, der Größe,
Kraft und Anspannung unserer technischen Zeit
in die ironisierende Kleinkunst sich geflüchtet
hat, ähnlich wie zur Zeit des Rokoko allerhand
Zierlichkeiten geschaffen wurden, während die
großen Probleme des Geistes zur Entwicklung
gelangten. Diese Kleinkunst stellt sich heute
wie damals unbekümmert dem Strom der Zeit
entgegen und widerspricht ihr durch das For-
mat ihrer Erlebnisse, Wünsche und Bosheiten.

Die hier gezeigten Keramiken und Email-
stücke sind bewußtes Ziel, überaus leichtfaßlich
und gebärden sich nicht als mehr, als sie in
Wirklichkeit sind. Sie wollen kein Großes sein,
um dennoch ein Kleines zu bleiben. Was gegen
sie spricht, ist die leichte Wirkung der Ober-
fläche, auf die sie beschränkt bleiben muß. Ihr
nur subjektiver Inhalt erscheint dadurch fast
unwichtig, ja er schrumpft vielfach zur bedeu-
tungslosen Nichtigkeit zusammen, die Zeichen
eines gedanklichen Inhaltes gehen verloren.
Keineswegs soll damit der grotesk komischen
Darstellung alles Recht auf Dasein abgesprochen
werden. Die Übertreibung, die Verzerrung, die
Karikatur und das Phantastische hat immer die
Rolle einer Art von künstlerischem Ventil ge-
spielt und wir verdanken ihrunschätzbare Werte.

Heute und für den Augenblick halte ich aber
diese Art von müßigen Vitrinenstücken für über-
holt, der Witz, der in ihnen steckt, ist der von
gestern. Die Materialbeherrschung und künst-
lerische Gestaltungskraft der Wiener Kunstge-
werbler beginnt sich auch allmählich ernsteren
und dauernderen Aufgaben zuzuwenden. Die
hier gezeigten Kleinigkeiten sind aber dennoch
als von künstlerischem Werte anzusprechen.

Ganz außerhalb dieser Arbeiten steht die
schlichte Madonna mit dem Kinde von Luise
Spannring in Salzburg. Trotz ihrer langjährigen
Wiener kunstgewerblichen Schulung und ihren
Arbeiten in der Wiener Werkstätte hat sie den
Zusammenhang mit den naturhaften Empfin-
dungen ihrer ländlicheren Heimat nicht verloren.
Schon rein technisch eine außerordentliche Lei-
stung, zwingt ihre hier gezeigte Arbeit auch
inhaltlich zur Anerkennung. Das, was eine
Keramik überhaupt zu leisten vermag, was sie

MIZI OTTEN-FRIEDMANN. »KUPFER-EMAIL«
 
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