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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 59.1926-1927

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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Arbeiten der Mode - und Textilklasse
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https://doi.org/10.11588/diglit.9182#0257

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ARBEITEN DER MODE- UND TEXTILKLASSE

DER OFFENBACHER KUNSTGEWERBE-SCHULE

Die Mode ist eine Gottheit und zwar eine sehr
mächtige, mit der nicht zu spassen ist!
Wer sich gegen sie empört, sei es als radikaler
Individualist, Revolutionär oder Gesundheits-
apostel, verfällt der Lächerlichkeit! Hieraus ist
die Lehre zu ziehen, daß Mode nicht gemacht
werden kann, sondern daß sie einen biologischen
Prozeß bedeutet, dem die Menschheit unter-
worfen ist. Man kann diesen Prozeß beobach-
ten, man kann ihn deuten, man kann gewisse
Gesetzmäßigkeiten in ihm erkennen, im übrigen
bleibt nur die Möglichkeit, sich ihm mit Ge-
schmack und heiterer Freude am Weltgeschehen
zu beugen, sich ihm ausgestaltend, verwirk-
lichend zu fügen. So haben denn auch alle
großen Modekünstler und Modekünstlerinnen
getan, und ihre Erfolge gründen sich daher nicht
auf der Wucht von subjektiv für richtig erkann-
ten Glaubenssätzen oder abstrakten Theorien,

sondern sie beruhen auf dem Gefühl für das
ihrer Zeit überzeugend Reizvolle und der Kraft,
diesem Gefühle Form und Ausdruck zu geben.

Ein Beispiel mag uns diesen Gedankengang
näherbringen. Die Frauenmode verlangt kurzes
Haar und kurzes Kleid als elementar sich durch-
setzendes Sinnbild der sich befreienden und
zur selbständigen Bewegung entschlossenen
Weiblichkeit. Der wirkliche Modekünstler wird
hiergegen nicht opponieren, er wird dieses Diktat
der großen Gottheit freudig aufgreifen und im
höchsten Sinne bezaubernd ausgestalten, das
Motiv „kurzes Kleid, lange Strümpfe und dem
Blick immer zugängliche Fußbekleidung" in
tausend Variationen so lange behandeln, bis
eine neue Zeit ihn vor eine neue Aufgabe stellt.

Diese Erkenntnis hat viel neues in unserer
Betrachtung der Modefragen bewirkt, sie ist
der Grund geworden, mit der Überschätzung

XXX. Januar 1937. 5*
 
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