BLUMEN VON LISBETH SCHAUDINN
Die Dichterin dieser Blumen schreibt: „Bei
der heutigen gewaltigen Massenfabrikation
von künstlichen Blumen erscheint es recht ge-
wagt, aus Seidenstoff Blumengebilde herzu-
stellen, ohne Maschinen und Presse, als ein-
ziges Instrument nur die Hand. Ich fing an, rein
spielerisch Blumen zu formen (ich tat dies schon
als Kind), aus Freude, dem Seelischen einer
Blume, ihrem Linienspiel, ihrer entzückenden
Bewegung nachzugehen, und machte aus dem
Gedächtnis alle möglichen Blüten, die einige
Freunde sahen. Es waren Künstler, die ihre
Freude daran hatten. Durch sie bekam ich die
ersten Aufträge für künstliche Blumen, und
seither mußte ich schon sehr viele machen; also
scheint es Menschen zu geben, die ein Herz
haben für das, was ich mit diesen Blüten aus-
drücken wollte: die Zartheit einer Blumenseele,
die ich bei der Massenfabrikation vermißte.
Gedacht waren diese Blumen als heiterer
Zimmerschmuck für den Winter, insbesondere
auch als Tafelschmuck, da man ihnen bei der
Biegsamkeit des Drahtes jede Bewegung geben
kann. Ich habe eine Freundin, die sogar dar-
nach malt; übrigens soll auch Cezanne manch-
mal nach künstlichen Blumen gemalt haben!"
Soweit die Äußerungen der Künstlerin. Sie
zeigen, daß ihre Kunstübung die schönste Quelle
hat: die Freude am Geschöpf und seiner Seele,
die dichterische Lust am freien Variieren des
Themas „Blume". Sie bildet nicht Blumen
und Ranken ohne weiteres nach; es lockt sie,
in Blumenformen frei zu denken, in Blattformen
zu spielen, weil sie innerlich vom Wesen dieses
holden Wachstums ergriffen ist. So entstehen
Blumengeschöpfe, die es in wirklicher Welt
nicht gibt, die die Motive unserer wirklichen
Flora frei verwenden. Man merkt ihnen an,
mit welcher Lust die Künstlerin in den zarten
Wölbungen und Überschneidungen der Blumen-
blätter lebt, wie jede Linienwendung ihr eine
Gefühlswendung bedeutet, wie sie musikalisch
XXX. Januar 1927. 7«
Die Dichterin dieser Blumen schreibt: „Bei
der heutigen gewaltigen Massenfabrikation
von künstlichen Blumen erscheint es recht ge-
wagt, aus Seidenstoff Blumengebilde herzu-
stellen, ohne Maschinen und Presse, als ein-
ziges Instrument nur die Hand. Ich fing an, rein
spielerisch Blumen zu formen (ich tat dies schon
als Kind), aus Freude, dem Seelischen einer
Blume, ihrem Linienspiel, ihrer entzückenden
Bewegung nachzugehen, und machte aus dem
Gedächtnis alle möglichen Blüten, die einige
Freunde sahen. Es waren Künstler, die ihre
Freude daran hatten. Durch sie bekam ich die
ersten Aufträge für künstliche Blumen, und
seither mußte ich schon sehr viele machen; also
scheint es Menschen zu geben, die ein Herz
haben für das, was ich mit diesen Blüten aus-
drücken wollte: die Zartheit einer Blumenseele,
die ich bei der Massenfabrikation vermißte.
Gedacht waren diese Blumen als heiterer
Zimmerschmuck für den Winter, insbesondere
auch als Tafelschmuck, da man ihnen bei der
Biegsamkeit des Drahtes jede Bewegung geben
kann. Ich habe eine Freundin, die sogar dar-
nach malt; übrigens soll auch Cezanne manch-
mal nach künstlichen Blumen gemalt haben!"
Soweit die Äußerungen der Künstlerin. Sie
zeigen, daß ihre Kunstübung die schönste Quelle
hat: die Freude am Geschöpf und seiner Seele,
die dichterische Lust am freien Variieren des
Themas „Blume". Sie bildet nicht Blumen
und Ranken ohne weiteres nach; es lockt sie,
in Blumenformen frei zu denken, in Blattformen
zu spielen, weil sie innerlich vom Wesen dieses
holden Wachstums ergriffen ist. So entstehen
Blumengeschöpfe, die es in wirklicher Welt
nicht gibt, die die Motive unserer wirklichen
Flora frei verwenden. Man merkt ihnen an,
mit welcher Lust die Künstlerin in den zarten
Wölbungen und Überschneidungen der Blumen-
blätter lebt, wie jede Linienwendung ihr eine
Gefühlswendung bedeutet, wie sie musikalisch
XXX. Januar 1927. 7«