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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 59.1926-1927

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Schürer, Oskar: Internationale Kunstausstellung Dresden, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9182#0291

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Internationale Kunstausstellung Dresden

chens aus Stoff!) Und Despiau, der Porträt-
plastiker, dessen Bildnisbüsten zum Stärksten
gehören, was Paris heute zu geben hat.

Aber Paris, heute und immer, ist mehr als
nur Französisches. Es reißt Kräfte von drau-
ßen an, arbeitet sie ebenso heraus, wie es sie
in sich hinein verarbeitet, stärkt sich an ihrer
Vitalität und adelt sie hinwiederum in seiner
klassischen Form. Da ist Pascin, der Rumäne
(der in der Ausstellung — gemäß irgend einem
Geburts- oder Staatsangehörigkeitsschein —
als Amerikaner geführt wird), der den ganzen
schwebenden Sinnenprickel dieser köstlichen
Stadt in seinem Bilde aufgefangen hat, der in
schwingend lockerer Farbigkeit und Räumig-
keit seine Akte auf die Leinwand kost, in enor-
mem Können — aber in diesem Können noch
nicht verkrustet. Wie er diese schwelgerischen
Leiber in die Kissen wirft, wie sie die Kissen
kaum eindrücken, so schwebend erscheinen sie,
und wie sie doch unter allem Hauchartigen einer
auf- und niederhuschenden Erotik die feste Kon-
sistenz der Leiber, der Gebärden, noch der Düfte
dartun, — das ist ein Schaffen aus jener be-
törenden Sinnlichkeit heraus, für die Paris in
seiner Malerei den Tempel schuf.

Ganz anders Picasso, der Spanier. Der läßt
sich nicht mehr hinunter in betörende Sinnlich-
keiten (— wieviel Lockung dazu trägt er in

sich! —), ruht nicht auf dem edlen Maße einer
in Paris gereiften Persönlichkeit. Er stößt über
sich selbst hinaus ins Morgige, ins Unerbittliche
einer konstruktiven Welt. Wann wird man seine
ganze Bedeutung bei uns erkennen? In Dresden
hat man ihm und seinen Freunden einen schönen
Saal eingeräumt, — was Instinkt für wirkliche
Moderne verrät! — Aber wie eine Rache des
Genius loci mutet es an, daß durch bedauerliche
Mißverständnisse in der Aufzeichnung dieses
ceuvre eine Lücke blieb: Die Jahre 17-23, in die
eine der wichtigsten Entwicklungsstufen dieses
Künstlers fällt, und aus denen die Sammlung
Dr. Reber in Lugano, die die heutigen Picässos
und schönen Braques und Juan Gris' beigesteuert
hat, so bedeutende Stücke zu zeigen gehabt
hätte, sind nicht vertreten. Dabei ist gerade bei
Picasso Überblick über das ganze Werk so wichtig,
da erst auf der Folie der Vorschichten sein heu-
tiges Schaffen (vertreten durch ein großes Still-
leben aus 1924, Sammig. Reber) markant hervor-
tritt. Picassos eigene Meinung: „Ich kenne keine
Entwicklung, — ich male, was mir Freude
macht" — und die Meinung der Picassogegner:
„Er hat keine Entwicklung, er malt, was er sich
mühsam ausklügelt!" — heben sich dieser Fest-
stellung gegenüber aufs originellste gegeneinan-
der auf. Und es verrät auch nicht gerade sehr
viel heutiges Empfinden, die Malerei Braques

XXX. Februar 1927. 2
 
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