Lob des Bildes
Äußerste an Freiheit und Überfluß sei eine or-
namentale Betonung der Wände und Gelenke,
eine tektonische Plastik, eine abstrakte Malerei.
Die Bilderstürmer haben unrecht, und die
Glorifizierung des Architekten, dem sich der
Wohnungsinsasse bedingungslos auszuliefern
habe, ist eine Diktatur der Schwäche. Wenn
der Architekt fürchtet, seine Raumgedanken
durch ein Bild, mit dem er nicht gerechnet hat,
gestört zu sehen, kann er nicht allzusehr von
der Lebenskraft seiner Kunst überzeugt sein.
Die Eiche fürchtet nicht den rankenden Efeu.
Und das Blau des Firmaments wird nur inter-
essanter, wenn in Willkür die Wolken darüber
hinziehen. Die Wohnung darf nicht zum Ge-
fängnis für den Spieltrieb oder gar für die
innersten Neigungen des Benutzers werden.
Die Individualität des Architekten muß stark
genug sein, die individuellen Äußerungen eines
Bilderfreundes zu ertragen. Wenn Räum und
Wand durch aufgehängte Bilder zerstört werden,
waren sie schon vordem nicht festgefügt.
Gewiß, auch für dieses Problem, wie für alle,
gibt es Grenzen, wo Sinn Unsinn und Wohltat
Plage wird. Törichte Putzsucht kann allerdings
den Gedanken eines Raumes oder einer Wand
überwuchern. Aber darum handelt es sich nicht
bei dieser Diskussion; wogegen wir uns wehren,
das ist das neueste Evangelium von der künst-
lerischen Unterwertigkeit des Bildes. Wir be-
kämpfen den Haß gegen das Bild; wir singen
das Lob des Bildes.
Ein Bild an der Wand ist zum mindesten ein
Farbfleck. Das kann einen schlechten Klang
geben; das kann aber auch Bereicherung und
Vertiefung sein. Ein Bild ist aber nicht nur ein
Farbileck; es ist ein Form gewordenes Stück
Menschlichkeit. Diese Menschlichkeit kann so
unbedeutend sein, daß es sich nicht verlohnt,
sie öffentlich und dauernd zu zeigen; sie kann
aber auch wahrhaft eine Steigerung des gelten-
den Zustandes sein. Das hängt von dem ab,
der das Bild wählte. Der jüngste Anspruch des
architektonischen Purismus will aber nicht etwa
die kritische Auslese fördern ; er meintganz ernst-
haft das Bild an sich, jedes Bild, auch das beste.
Auch das, auf dem ein Maler das Erlebnis hoher
Stundein suggestiver Hieroglyphe niederschrieb.
Dies aber ist der Schlüssel zum Geheimnis des
Bildes und ist zugleich tötliche und lachende
Waffe gegen die Bilderstürmer.
— Eines Künstlers Bild an der Wand bringt in
Äußerste an Freiheit und Überfluß sei eine or-
namentale Betonung der Wände und Gelenke,
eine tektonische Plastik, eine abstrakte Malerei.
Die Bilderstürmer haben unrecht, und die
Glorifizierung des Architekten, dem sich der
Wohnungsinsasse bedingungslos auszuliefern
habe, ist eine Diktatur der Schwäche. Wenn
der Architekt fürchtet, seine Raumgedanken
durch ein Bild, mit dem er nicht gerechnet hat,
gestört zu sehen, kann er nicht allzusehr von
der Lebenskraft seiner Kunst überzeugt sein.
Die Eiche fürchtet nicht den rankenden Efeu.
Und das Blau des Firmaments wird nur inter-
essanter, wenn in Willkür die Wolken darüber
hinziehen. Die Wohnung darf nicht zum Ge-
fängnis für den Spieltrieb oder gar für die
innersten Neigungen des Benutzers werden.
Die Individualität des Architekten muß stark
genug sein, die individuellen Äußerungen eines
Bilderfreundes zu ertragen. Wenn Räum und
Wand durch aufgehängte Bilder zerstört werden,
waren sie schon vordem nicht festgefügt.
Gewiß, auch für dieses Problem, wie für alle,
gibt es Grenzen, wo Sinn Unsinn und Wohltat
Plage wird. Törichte Putzsucht kann allerdings
den Gedanken eines Raumes oder einer Wand
überwuchern. Aber darum handelt es sich nicht
bei dieser Diskussion; wogegen wir uns wehren,
das ist das neueste Evangelium von der künst-
lerischen Unterwertigkeit des Bildes. Wir be-
kämpfen den Haß gegen das Bild; wir singen
das Lob des Bildes.
Ein Bild an der Wand ist zum mindesten ein
Farbfleck. Das kann einen schlechten Klang
geben; das kann aber auch Bereicherung und
Vertiefung sein. Ein Bild ist aber nicht nur ein
Farbileck; es ist ein Form gewordenes Stück
Menschlichkeit. Diese Menschlichkeit kann so
unbedeutend sein, daß es sich nicht verlohnt,
sie öffentlich und dauernd zu zeigen; sie kann
aber auch wahrhaft eine Steigerung des gelten-
den Zustandes sein. Das hängt von dem ab,
der das Bild wählte. Der jüngste Anspruch des
architektonischen Purismus will aber nicht etwa
die kritische Auslese fördern ; er meintganz ernst-
haft das Bild an sich, jedes Bild, auch das beste.
Auch das, auf dem ein Maler das Erlebnis hoher
Stundein suggestiver Hieroglyphe niederschrieb.
Dies aber ist der Schlüssel zum Geheimnis des
Bildes und ist zugleich tötliche und lachende
Waffe gegen die Bilderstürmer.
— Eines Künstlers Bild an der Wand bringt in