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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 59.1926-1927

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Kuhn, Alfred: Die Beurteilung von Plastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.9182#0361

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OTTO ROST—DRESDEN »KOMPOSITION« liRONZE

DIE BEURTEILUNG VON PLASTIK

VON DR. ALFRED KUHN

Die Beurteilung von Plastik ist deshalb so
schwierig, weil wir ihr heute schlechter-
dings entwöhnt sind. Wir sind plastikfern ge-
worden. Nicht mehr wie in der Antike und in
der Renaissance werden Markt und Straße mit
Skulpturen bestellt, und wo dies der Fall ist,
da fehlt das gewachsene Bedürfnis, das un-
mittelbare Verhältnis des Einzelnen. Gleichsam
zufällig werden bei ein paar Bildhauern Statuen
erworben und auf freien Plätzen errichtet.
— Selten kauft ein Privater sich eine Plastik.
Lieber behängt er seine Wände mit Bildern.

Und doch entspricht plastisches Fühlen wie
plastisches Schaffen einem tiefen menschlichen
Bedürfnis. Tastend erlebt der Neugeborene
zuerst die Welt. In der Phantasie aller primi-
tiven Völker spielt plastisches Bilden eine

Rolle. In ihren Mythen werden aus Ton oder
Erde die ersten Menschen geknetet. Wir sind
naturfern geworden, indem wir plastikfern ge-
worden sind. Wir haben uns des Zugreifens
entwöhnt. Wir üben den schwierigen Prozeß
der Überführung des dreidimensionalen Talbe-
standes in das zweidimensionale gemalte Bild
mühelos täglich aus, ohne uns darüber Rechen-
schaft zu geben, ein wie schwieriger, kompli-
zierter Vorgang das ist.

Bei der Beurteilung von Bildern hat ein halbes
Jahrhundert lang das Rieht wort gegolten: „Ein
Gemälde muß malerisch sein. Ein Gemälde ist
gut, wenn es gut gemalt ist". So hat sich lang-
sam ein umfangreicher Kreis von Sachkennern
gebildet, der durchaus in der Lage ist, ein Bild
auf seine malerische Qualität hin zu prüfen.

XXX. MOrz 1927. 3 *
 
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