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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 3.1928

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König, Hermann: Der Garten als Kulturerscheinung
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https://doi.org/10.11588/diglit.13709#0077

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deutsche Städte ihre eigenen Druckereien — und
die bis auf den heutigen Tag bestehende särtne-
rische Sc'hreibseligkeit ließen bald eine reichhaltige
Gartenliteratur entstehen. Sind es auch zunächst
nur Bücher botanischen Inhaltes, so weitete die
im 16. Jahrhundert einsetzende Gartenrenais-
sance bald den Blick für das künstlerische Problem
des Gartens. Der erste Garlenlheoretiker des
Abendlandes L. B. Alberti wies schon um 1450
auf die architektonischen Zusammenhänge von
Haus und Garten hin. Es ist wahrscheinlich, daß
diese Lehren dem Ulmer Baumeister Josephnm
Furtteribach bekannt waren, denn seine 1629 her-
ausgegebene Architektura recreationis, sowie die
später herausgekommene Architektura privata zei-
gen in vielen Beispielen die organischen Zusam-
menhänge von Haus und Garten. Obgleich auch
Furttenbach, dem Zuge der damaligen Zeit fol-
gend, in Italien war, hat er sich beim Garten doch
von den Einflüssen der italienischen Renaissance
ziemlich frei gehalten. Viel eher könnte man hier
auf Anregungen schließen, die der damals hoch-
entwickelten holländischen Gartenkunst entnom-
men sind. Die bedeutendsten Bürgergärten jener
Zeit fanden sicli wohl in Augsburg. Aber auch
Nürnberg und Frankfurt wetteiferten neben Ulm
um den Ruhm, die schönsten Gärten zu besitzen.
Alle diese Gärten waren vorzugsweise geometrisch
aufgeteilt, und nur ganz vereinzelt finden wir
schon gewisse, vielleicht mehr zufällige, räum-
liche Beziehungen zum Bauwerk. In Leipzig
waren es später der Bosesche, der Slieglilzsche, der
Krumbharsehe und besonders der Apelsche Gar-
ten, die die höchste Bewunderung der Zeitgenos-
sen erregten. Der Apelsche Garten war bereits
1620 begonnen worden, und muß auf seine Be-
sucher überwältigend gewirkt haben, denn Goethe
schrieb 1765 in einem Brief an seine Schwester,
daß er ..königlich" sei, und daß er bei dessen
Besuch glaubte, in die „elysischen Felder'' zu
kommen. Die fächerartige Aufteilung dieses Gar-
tens, die regelmäßigen Kanäle sowie der ganze
architektonische Aufbau lassen darauf schließen.

BURGGÄRTCHEN
Burg Matzen in Tirol, 16. Jahrhundert

daß hier schon französische Einflüsse mitgewirkt
haben. —

Betrachten wir die Gartenkunst eines Jahrtau-
sends auf deutschem Boden als Ganzes, so macht
sich selbst dort noch, wo fremder Kunstwillen in
Erscheinung tritt, die deutsche Empfindungswelt
charakteristisch bemerkbar. Die Lieder der
Minnesänger verraten uns das unbekannte Seimen
nach der noch fremden Natur und die unbe-
schreibliche Freude der Erkenntnis der Wald- und
Garlenschönheit. Der Garten war so recht geeig-
net, als Ausdrucksob jekt für das Dynamische, Un-
ruhevolle des deutschen Charakters zu dienen. Die
immer wieder zutage tretende Phantastik in der
Gestallung gibt auch die Erklärung für die Emp-
fänglichkeit gegenüber einer fremden Formen-
welt, wie sie sich im Garten des 17. Jahrhunderts
unter starker Benutzung italienischer und hollän-
discher Anregungen bemerkbar macht. Dieser
Charaktereigenschaft dürfte wohl auch die Über-
treibung und Steigerung vieler Stilformen ins
Spielerische, oft geradezu Groteske zuzuschreiben
sein. W ir vermissen fast in allen deutschen Gär-
ten dieser Zeit nicht nur jene Ausgeglichenheil

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