Heidelberger Jahrbücher der Literatur (43.1850)

Nr. 23. HEIDELBERGER 1850.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Saavedra <Ie Rivast SuMevacion de JVapoIe.

(Schluss.)
Guise, von der Uebergabe Neapels benachrichtigt und von dem
Heerhaufen sogleich verlassen, flüchtete mit etlichen Reitern, wurde aber
unweit Kapua von den Spaniern gefangen. Diese hielten treu die Zusage;
keine Militärgerichte und Hinrichtungen befleckten den Sieg. Desshalb
huldigten auch bald die Landschaften, in welchen Königliche und Adel
mit wechselndem Glück die Anhänger der Republik bekämpft hatten. „Man
sähe“, bemerkt Santis, ein zeitgenössischer Schriftsteller, „Männer und
Weiber, Jünglinge und Greise, Arme und Reiche Thränen der Rührung
und Freude vergiessen. Freunde und Feinde, Einheimische und Fremde
umarmten einander, ohne an die abgelaufenen Räubereien und Gewaltthä-
tigkeiten zu denken. Alle hatten, schien es, nur ein Gefühl und einen
Willen, den Genuss so viele Monate vermissten Friedens.“ — Schliesslich
verdient es rühmende Anerkennung, dass der Verf. überall nach der mög-
lichsten Unparteilichkeit strebt, die vielfachen Fehlgriffe und Gewaltthätig-
keiten der spanischen Regierung eingestellt, die Tapferkeit und Ausdauer
seiner Landsleute preist, aber auch dem bisweilen fabelhaften Heldenmuth
(\in valor fabuloso} der Neapolitaner Gerechtigkeit wiederfahren lässt, ohne
die hier und da hervortretenden, unerhörten Gräuel zu verschweigen. In
dieser Rücksicht steht der Geschichtschreiber über Philipp von Commi-
nes, welcher bei dem Anblick der launenhaften Wandelbarkeit urtheilen
konnte: „Die Italiäner, meinten unsre Leute (die Franzosen}, sind keine
rechte Männer“ (Memoires VII., 13}. Dergleichen Nationalvorurtheile
hat schon der Aufstand Masaniello’s widerlegt. Für unsere Tage mag
er die Lehre enthalten, dass Revolutionen ohne Begeisterung für eine ge-
läuterte Freiheit und sittlich-religiösen Hebel wie Flackerfeuer vergehen,
und dass materielle Triebfedern allein nicht ausreichen, um ein Volk
für die höchsten Güter des Lebens zu entflammen und festzuhalten.
Kortüm«

XLIIL Jahrg. 3. Doppelheft.

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