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Nr. 40. HEIDELBERGER 1850.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Kurze Anzeigen,

(Schluss.)
Als Ergebniss der ganzen, das älteste Griechenland wie das früheste Ita-
lien in den Bereich ziehenden Untersuchung stellen sich folgende Sätze heraus,
die wir wörtlich hier nach S. 36 mittheilen wollen:
„Bedingung einer Staatsgesellschaft ist ein Orchomenos oder Erebos. Die
Regierung des Staats ist in den Händen der Kureten und die Kureten bilden
den Herrenstand. Das Regierungsprincip ist ein theokratisches und geht aus
von der Idee des kuretischen Grabe« und eines kuretischen Geisterreichs. Auf
Veranschaulichung dieser Idee dienen alle Formen des Cultus. Die Wirksam-
keit des Geisterreiches aber ist Manifestation der Weltordnung, und die Welt-
ordnung selbst ist eine sittliche. Eine besondere Verehrung kommt dem Quiri-
nus, als Gründer der betreffenden Staatsgemeinschaft, zu. Er ist das unsichtbare
Oberhaupt seines -Staates, und dessen zeitiger Regent ist als das Abbild des
Quirinus zu betrachten. Mit diesen Ideen steht und fällt die kuretische Ver-
fassung, die durch und durch eine hierarchische ist.“
Die weitere Ausführung dieser Grundidee und die verschiedene Entwick-
lung derselben, sowie Alles das, was weiter daran sich knüpft, mag man in
der Schrift selbst nachleseri, die unter Andern auch das Verhältniss, in welchem
diese Kureten zu den Pelasgern — den Bewohnern der Ebene, den unfreien
Zinspflichtigen Bauern — (nach der Auffassung des Verfassers S. 65 ff.) treten,
näher bespricht, und bei dieser Gelegenheit auch auf die attischen Verhältnisse,
insbesondere auf den Mythus von dem Kampfe des Poseidon und der Athene
eingeht. Dieser Kampf ist dem Verf. ein innerer Verfassungskampf, ein Kampf
zweier verschiedenen Staatsprincipe; und wenn diesem Mythus zufolge Poseidon
die Herrschaft über Athen an die Athene abtritt, so hat diess in den Augen
des Verfassers nur den Sinn: die hierarchisch-kuretische Staatsregierung geht in
eine jonische oder vorherrschend weltliche über, die in der Vereinigung mit
den Pelasgern oder dem Aufgeben des bis dahin besondern Verhältnisses der
Burgherrn (d. i. der Kureten) und Frohnbauern (d. i. der Pelasger) besteht
und zugleich eine bedeutende Modification des Cultus zur Folge haben musste,
da Religion und Verfassung innig mit einander verschmolzen waren. Dasselbe,
setzt der Verfasser (S. 70) weiter hinzu, will der Mythus vom Kampf der Jo-
nier gegen die Eleusinier sagen; es ist ein Kampf gegen die alte eupatridische
Staatsordnung. Das Ende dieser kuretischen Herrschaft und theokratisch-prie-
sterlichen Staatsordnung findet der Verfasser angedeutet in der Mythe von dem
allgemeinen Kampfe wider die Leleger und Kaukonen; es ist der Erörterung
dieses Gegenstandes der ganze sechste Abschnitt der Schrift (S. 70—94) ge-
widmet, welcher die Nachricht Strabo’s zum Ausgangspunkt nimmt, wornach
die Herrschaft der Leleger und Kaukonen bis zum troischen Kriege gedauert.
XLIII, Jahrg. 4. Doppelheft. 40
 
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