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Ur. 56. HEIDELBERGER 1850.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Die Gräber der Liren. Ein Beitrag zur nordischen Alterthums-
künde und Geschichte von Johann Karl Bähr, Professor der
Academie der Künste zu Dresden, Mitglied der Gesellschaft für
Literatur und Kunst in Kurland etc. Dresden, Rudolf Kuntze.
1850. VIII und 67 Seiten in ganz gross Quart nebst 21 litho—
graphirten Tafeln und 2 in den Text eingedruckten Holzschnitten.
Herr Bähr behandelt in vorgenannter, mit hoher Wissenschaft ge-
schriebenen Schrift einen Gegenstand, von dem wir schon ausführliche
Kunde haben in den trefflichen Necrolivonica des Herrn Dr. Fr. Kruse;
gleichwie derselben in diesen unsern Jahrbüchern (Jahrg. 1843. Nr. 45
und 46.) gedacht worden ist. Herr Kruse hat jedoch selbst, die ge-
sammten russischen Ostseeprovinzen auf schneller Reise gleichsam im Fluge
durcheilend, im Ganzen nur ungefähr 20 Todtenstätten an verschiedenen
Orten aufgegraben und jedes Mal bloss einige Stunden bei einer Todten-
stätte verweilt. Herr Bähr hat sich dagegen mit seinen Ausgrabungen
hauptsächlich auf drei Plätze, auf die Todtenstätten bei Ascheraden und
bei Segewolde in Livland, sowie bei dem Bauer Bajard in Kurland be-
schränkt, weil die daselbst befindlichen Gräber durch die Verschiedenar-
tigkeit in ihrer Form und ihrem Inhalt eine besondere Beachtung verdie-
nen und zugleich die allgemein gebräuchliche Begräbnissart der alten Be-
wohner bezeichnen. Aber er hat gegen 50 Gräber geöffnet und diese
um so kunstgerechter und gründlicher untersucht. Und wenn Herr Kruse
uns ein fingirtes schönes Bild dreier Personen, eines Mannes, Weibes und
Kindes, nach den Beigaben der Todten in den Gräbern zusammensetzt und
uns zeigt, wie diese Todten mögen einst in dem Leben in ihrer ganzen
Kleidung, in ihrem vollen Schmucke und in ihrer reichen Bewaffnung aus-
gesehen haben, so gibt uns Herr Bähr drei sehr interessante Ansichten,
wie die Skelette wirklich noch mit ihrer ganzen letzten Ausstattung in
den Gräbern selbst bei Ascheraden und bei dem Bauer Bajard ruheten.
Bei Ascheraden nämlich lagen die Todten, unter in regelmässige Quadrate
getheilten, die Grabstätten der Leichname bezeichnenden flachen Stein-
sätzen, ii/2 bis 2 Fuss tief in der blossen Erde. Sie waren vollständig
mit ihren Bronzesachen geschmückt und auf dem Rücken ausgestreckt,
während sich ihre Unterarme über den Leib nach dem Becken bogen und
XLIII. Jahrg. 6. Doppelheft. 56
 
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