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Nr. 2. HEIDELBERGER 1850.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Itl. Koelis Reise in Siiddeiitsclilaiid«

(Schluss.)
Besser als über Ton und Lebensweise der Damen und Herren oder
der Gebildeten, die er als Reisender schwer zugänglich finden musste,
wenn er nicht ein grosses Talent der Unterhaltung mitbrachte, scheint
der Verf. im Stande, das Volk zu beurtheilen. Wir wollen desshalb
lieber eine Stelle ausheben, wo der Verf. eine Seite des schwä-
bischen und österreichischen Volks, d. h. der niedern Klassen vergleicht.
Seite 329 sagt er:
„Ein kleiner Zug möge die Unterschiede zwischen dem schwäbischen
und österreichischen Volkscliarakter einigermassen andeuten. In Stuttgart
pflegen an Feiertagen ihrer drei oder vier nach dem Mittagessen in ein
Gasthaus zu gehen. Dort zechen sie, würfeln oder spielen Karten. So-
bald ihnen der schwere Neckarwein in den Kopf steigt, werden sie zän-
kisch. Das Spiel gibt den Vorwand zum Streit. Je länger sie mit
Trinken und Spielen fortmachen, desto mehr entbrennen sie darin. Zu-
letzt, wenn sie erst einander tüchtig gescholten haben, springen sie auf
und gehen mit der feindseligsten Gebehrdung bitterböse auseinander; es
versteht sich, um es über acht Tage gerade wieder so zu machen. Drei
oder mehrere Kameraden, die sich in Wien zusammenfinden, begeben
sich an solchen Tagen ebenfalls ins Wirthshaus, trinken dort wacker,
spielen aber nicht, sondern schwatzen einander allerlei abgeschmacktes
Zeug vor, ergötzen sich am Aufschneiden und an Possen, werden in dem
Grade, als der feurige Oesterreicher seine Wirkung thut, jovial und zu-
letzt, was eine besonders komische Scene abgibt, überfliessend weich und
sentimental. In Umarmungen verschlungen wandeln sie als innige „Her-
zensbrüder“ wonnetrunken nach Hause, das Stelldichein am nächsten
Sonntage gleich beim Abschiede festsetzend. Beim Schwaben geräth das
Blut, wie es scheint, mehr in Gährung, beim Wiener kreiselt es leichter
und freier die Scala herum.“ Wenn der Verf. sich hernach S. 331
ausführlich beschwert, dass er die Heidelberger Polizei wegen der Esel-
quälerei am Schlossweg und wegen Rohheiten der Eselsjungen vergeblich
XLIII. Jahrg. 1, Doppelheft. &
 
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