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M. Koch: Reise in Süddeutschland.

genommen. In Wien „sagt er dann weiter über das tägliche Leben, „wo der
Mittelstand um zwei, oder vier, fünf, sechs Uhr Abends zu Mittag speist,
ist die von Touristen noch immer besprochene „Janse“ längst verschwun-
den, während sie im ganzen deutschen Süden nicht unter diesem Na-
men, aber der Sache nach noch immer forlbesteht. Um 4 Uhr Nach-
mittags versammelt man sich nämlich zum Kaffeeschmaus, wozu auch
Bekannte geladen werden. Ausserdem ist noch die Abendmahlzeit, statt
welcher in Wien Thee getrunken wird, in Gebrauch. Dort (in Wien)
enthält sich das schöne Geschlecht aller geistigen Getränke oder bedient
sich derselben ausnahmsweise in sehr kleinen Gaben zu Toasten, im
übrigen Süddeutschland hingegen, die Rheinlande mitbegriffen, trinken
nicht bloss die Frauen und Mädchen regelmässig Wein und Bier
in einem dem Männermasse sehr annähernden Verhält-
nisse, sondern auch Kindern werden solche Getränke
gereicht.“ Diese Stelle schliesst gebührend mit einer Moralpredigt;
ist aber auf eine so schnöde Weise ungerecht gegen den gebildeten
Theil des weiblichen Geschlechts am Rhein und in Süddeutschland, wenn
man einige Striche von Baiern und Franken ausnimmt, dass wir den
Verf. absichtlicher Uebertreibung und schnöder Unwahrheit anklagen wür-
den, wenn wirHrn. Matthias Koch nicht als einen verständigen, rechtli-
chen Mann kennten, wir können also nur bedauern, dass Herr Koch auf
seinen Reisen in die Kreise gekommen ist, wo die Sitten herrschen, die
er schildert. Ref. hat freilich nur einen engen Kreis, der von Jahr zu
Jahr enger wird, er hat alle seine Freunde und unter diesen auch solche
befragt, die einen sehr weiten Kreis haben, es hat aber keiner je eine
der Bachantinnen, deren Hr. Koch erwähnt, in irgend einer anständigen
Gesellschaft gesehen. Uebrigens geht aus dem Folgenden hervor, dass
in Allem diesen und in dem Folgenden, wo auch gar wunderliches Zeug
vorkommt, unter Süddeutschland Würtemberg und ganz besonders Stutt-
gart verstanden wird. Ob dort die ganz sonderbaren Gebräuche und
Sitten, die der Verf. ganz Süddeutschland zuschreibt, wirklich bestehen,
kann Ref. weder bejahen noch verneinen , aber er hält doch für Pflicht
zu betheuern, dass in Baden und am Rhein von allen den Sonderbarkei-
ten und Dorfsitten unter den Gebildeten keine Spur ist.
(Schluss folgt.)
 
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