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M. Koch: Reise in Süddcutschland.

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litische Bedeutung, weil ich Überzeugt bin, dass der Wiirtemberger gut
deutsch gesinnt ist und der Oesterreicher in dieser Beziehung nur noch
die komische Meinung voraus hat, dass im übrigen Deutschland Alles
ohne Ausnahme besser sey als in seinem Heimalhlande, ein Irrthum, der
bei der Grenzüberschreitung sogleich sich bei ihm aufklärt. Es ist eine
Schwäche des Oesterreichers, zu wenig Selbstgefühl zu besitzen, es ist
eine andere des Schwaben, in sich und in das, was er sein nennt, zu
sehr verliebt zu seyn, dass er nicht aus sich herausgehen, nicht seiner
Zustände sich bewusst werden mag.“
Was weiter unten folgt, scheint uns eine durchaus richtige Be-
merkung zu seyn, nur glauben wir nicht, dass sie vom Schwaben allein
gilt, sondern es scheint uns überall so zu seyn und wenn der Oester-
reicher eine Ausnahme macht, so ist das wohl, weil er als Individuum
eben so gutmülhig ist, als seine Regierung sich oft hart und unerbittlich
beweiset. Herr Koch sagt S. 320:
„Während der Oesterreicher zu leicht über fremden Tadel hin-
wegsieht und ihn am liebsten als willkommenen Stoff zu Witzen verar-
beitet, macht der Schwabe einen Feuerfunken daraus, der in eine Pulver-
tonne fällt. — — In keinem Punkte offenbart sich in Süddeutschland
grössere Charakterschwäche und spiessbürgerliche Empfindlichkeit als in
der Weise, wie die Beleuchtung des Zustandes, zumal wenn Fremde da-
mit sich befassen, hingenommen und behandelt wird. Die daraus ent-
springende schädliche Folge ist, dass Gesinnungstüchtige, die dem Va-
terlande einen Dienst erweisen könnten, sich zurückziehen und ein Feld,
worauf so Vieles noch unbestellt ist, dem es zum Tummelplätze knaben-
hafter Streiche missbrauchenden Literatenpöbel überlassen.“
Unsere Leser in Süddeutschland werden besser wissen als Ref., ob
das Gemälde des täglichen Lebens in Süddeutschland, welches jetzt mit-
getheilt werden soll, richtig und wahr ist; Ref,, der doch gegen fünfzig
Jahr {wenn man anders Frankfurt zu Süddeutschland rechnet) in Süd-
deutschland gelebt hat, kann nicht sagen, dass es auf die Kreise, die er
gesehen hat, irgend passt. Wenn es wirklich in Stuttgart und in Wür-
temberg, überhaupt im Allgemeinen so seyn mag, so werden sich auch
dort gewiss viele Ausnahmen finden und der vielgereiste Herr Koch
sollte das „ländlich sittlich“ am ersten gelten lassen. Er sagt und ge-
nefcsirt wie überall:
„In ganz Süddeutschland ist die Lebensweise einfach und
von altem Schnitt. Das Mittagsmahl wird nach zwölf Uhr bis ge-
gen eins von der Mittelklasse, vom Bürger schon gegen elf Uhr ein-
 
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