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Nr. 29. HEIDELBERGER 1SS0
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Rautio ts De la «lecadence de la France.

(Schluss.)
Die Keime dec Religiosität sind bald zerstört durch den Zweifel,
den sie einsaugen während des aufgezwungenen s. gJ filosofischen
Lehrjahrs vor dem Austritt aus den gelehrten Schulen*). Der ganze
Unterricht an diesen entspricht eigentlich nur den Bedürfnissen der Ari-
stokratie , nicht denen der grossen Mehrzahl der Schüler. Gelegenheit
zur Vorbildung für das Gewerb- und Handelsfach fehlt ganz. So wer-
den denn sehr Viele unzufrieden mit ihrem Lebensberuf und hoffen Er-
lösung von einer Umwälzung. Die Volksschullehrer endlich stehen in ei-
ner Unabhängigkeit da, nicht bloss vom Geistlichen, wie wenige Staats-
diener, denn auch bei der gottlosesten Aufführung hält es sehr schwer
sie zu beseitigen. Sie wirken oft zwar für Aufhellung der Köpfe, aber
nicht für Erwärmung der Herzen.
Im dritten Hauptsück (S. 83 ff.) bespricht der Verf. noch einige
anderen Grundirrthümer, die ihm nächst der Zentralisation und ihren Aus-
flüssen eine Geissel Frankreichs scheinen. Dahin zählt er die Wuth,
mit der man den Gewerbbbetrieb zu steigern sucht durch
die Kunstmittel verbotähnlicher und andrer schützenden Zölle, sowie der
Belohnungen. Wie in England, sagt er, so folgte auch hier die Verar-
mung im Grossen auf dem Fusse. Was bei der Landwirthschaft unmög-
lich ist, geschieht hier: Es wird sehr bald zuviel erzeugt; es entstehen
immer öfter Stockungen und Elend, vermehrt durch den steten Wettkampf
im Innern wie mit andern Völkern. Sehr wenige Geldübermächtige ge-
hen als Sieger daraus hervor. Während der kleinen Grundeigner täg-
*) Dass bei solchen filosofischen Lehrjahren wo möglich noch weniger
herauskömmt als auf deutschen Schulen und Hochschulen, begreift sich. Die
Gottlosigkeit ist übrigens in Frankreich weit weniger wie bei uns die Frucht
einer mit Behagen getriebenen .Gedankenunzucht als das Werk des blossen Ge-
gensatzes zu einem gleich eiteln Wahnglauben, da leider dort, wie in allen ganz ka-
tholischen Ländern, die richtige Vermittlung und Lösung jenes Gegensatzes fast
unmöglich wird und ebendarum, solange der Geist des Protestantismus sich nicht
Bahn gebrochen hat, Alle die das eine Aeusserste nicht wollen, sich fast noth-
wendig kopfüber in das andere stürzen. Ref.
XLIII. Jahrg. 3. Doppelheft.

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