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Jahrbuch für Photographie und Reproduktionstechnik — 13.1899

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Kassner, Carl: Photographische Belichtungstabellen und Einheitszeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.32124#0040

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dieselbe; will man nun aber zu einer anderen Stunde eine
Aufnahme machen, so gibt die zweite Art von Tabellen Aus-
kunft, indem sie die wechselnde Lichtstärke zu den einzelnen
Stunden in Procenten der Normalhelligkeit (z. B. der Mittags-
helligkeit im Juni) enthält. Gerade bei dieser zweiten Art
tritt der Fehler ein, der mich zu diesen Zeilen veranlasst hat.
Die meisten dieser Tabellen nämlich sind zu einer Zeit
auf gestellt worden, als die Einheitszeit, sei es nun mittel-
europäische oder Landeszeit, noch nicht gesetzhch eingeführt
war. Sobald aber letzteres geschah, hätte man in den photo-
graphischen Lehrbüchern den Tabellen einen entsprechenden
Hinweis beifügen sollen, aber ich habe ihn vergebens gesucht.
Nun ist ja für diejenigen Gegenden, welche dein Nullmeridian,
im Deutschen Reiche z. B. dem durch Görlitz gehenden, nahe
liegen, der Unterschied zwischen der bisher gebrauchten mitt-
leren Ortszeit und der eingeführten Einheitszeit nicht so be-
trächtlich, dass er zu erheblichen Fehlern Veranlassung gibt,
aber in andern Gegenden fällt dieser glückliche Umstand fort.
Unter mitteleuropäischer Einheitszeit, wie sie im militäri-
schen und Verkehrsinteresse gegen die Stimmen der Wissen-
schaft eingeführt wurde, versteht man bekanntlich die Zeit,
welche jeweils auf dem um eine Stunde von dem Greenwicher
Meridian entfernten, lg Grad östlich gelegenen Meridian von
Görlitz (Stargardt, das auch viel genannt wird, hegt drei
Minuten noch weiter nach Osten) eine richtig gehende Uhr
angibt. Da sich nun die Erde von Westen nach Osten dreht
und die Sonne dementsprechend scheinbar von Osten nach
Westen geht, trifft der Mittag (d. h. der Durchgang der Sonne
durch den Ortsmeridian) nicht mehr auf 12 Uhr, wie nach der
alten Ortszeit, sondern früher oder .später, und zwar im Osten
vom Nullmeridian vor, im Westen nach 12 Uhr Einheitszeit.
Die Stadt Dortmund z. B. liegt Grad westlich, hat also,
da ig Grad gleich 1 Stunde sind, 30 Minuten Unterschied
zwischen Orts- und Einheitszeit, demnach erlitten die Ein-
wohner mit Einführung der letzteren Zeitart eine Verschiebung
ihrer Lebensgewohnheiten um eine halbe Stunde (in Aachen
sind es 36 Minuten); der Vormittag ist jetzt um soviel länger
und der Nachmittag entsprechend kürzer, der Unterschied
beider beträgt also eine Stunde.
Nimmt mau nun an, es sei eine Belichtungstabelle für
Berlin berechnet worden, und zwar vor Einführung der Ein-
heitszeit, so konnte mau dieselbe ohne Weiteres an allen
Orten gebrauchen, die auf oder doch nahe dem Breitengrade
von Berlin lagen. Selbst 1 Grad nördlich oder südlich davon
war der Fehler bei Anwendung der Tafel so geringfügig.
 
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