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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 3.1905

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Corinth, Lovis: In der Akademie Julian
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https://doi.org/10.11588/diglit.4389#0033

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bis das Modell verlegen, die Haare mit den Händen
ordnend, auf das Podium zurückkam.

„Ri-ez! ri-ez ma be-e—Ue! ri—ez, ri-
e-z toujours« flötete „le tigre«, sogenannt, weil
er in Bengallen beheimatet war, aber die kräftige
Stimme Jourdans übertönte sein Lied,
»la peinture ä l'huile
est tres difficile"
darauf der ganze Chor:

„mais c'est bien plus beau
que la peinture ä l'eau".
Dann herrschte Stille, jeder war eifrig mit
seiner Arbeit beschäftigt; man hätte können eine
Nadel auf den Boden fallen hören. Da ein Pfiff
wie eine Rohrdommel im Schilf, dann mehrere
Lockrufe, Froschgequake, Grunzen von Schweinen,
_ Sergebrüll und dann ein Gemisch von Lauten,
die von schrillem Pfeifen auf Schlüsseln übertönt
wurden.

Ein Hailoh, als wenn der jüngste Tag anbrechen
sollte.

Plötzlich wieder lautlose Stille, dass von dem
schnellen Uebergang das Trommelfell zu platzen
drohte.

Der Tag gehört der Arbeit, der Abend dem
Vergnügen, war der Wahlspruch Heinrichs, in den
seine drei Freunde gern einstimmten.

So durchzogen sie die Theater-varietes, die
Cafe-chantants, besuchten im Quartier latin den
bal Bullier und andere Lokalitäten, die ihnen von
Interesse zu sein schienen; und billig musste es sein,
denn mit besonderen Glücksgütern war keiner von
ihnen gesegnet.

Sambitsch, rief Heinrich, Mauerbrecher und ich

gehen jetzt nach Hause.

»Es ist aber doch hier so fein" rief der aus
einem Winkel heraus, wo er unter einem Wust
von Spitzenkleidern und seidenen Schlafröcken ver-
graben war, dass nur seine lange Nase und die
glänzenden schwarzen Augen zu sehen waren.

Na, denn amüsieren Sie sich.

Als die Beiden aus dem Hause traten, war es
menschenleer, das ganze grosse Paris schlief.

Die Stunde, in der nach Schluss der Theater
die Strassen noch einmal von hastenden Menschen
und jagenden Equipagen wie am Tage belebt

wurden, war längst vorüber. Ihre Schritte hallten
durch die stille Nacht.

Beide gähnten und trennten sich an einer Ecke.

Zwei Sirenen eilten ihnen nach.

Bei homme! viens chez moi.

Heinrich eilte mit längeren Schritten seiner
Wohnung zu.

Den nächsten Morgen — am Sonntag —
wurde in der Akademie Julian an einer Compo-
sitionsskizze gearbeitet.

Sambitsch erschien endlich auch, verschlafen
und abgespannt. Er schob seine Staffelei zu Heinrich
heran.

Sie lächelten sich an.

Können Sie mir bis zum ersten aushelfen,
Stiemer ?

Sagen Sie es aber nicht den Anderen, Stiemer.

Für Geheimnisse bin ich das reinste Erb-
begräbnis, brummte Heinrich.

Wie sieht eigentlich so ein richtiger Esel aus?
fragte er dann weiter. Er hatte nach allen Seiten
hin versucht, das Tier und den Reiter darauf er-
kenntlich hinzumalen, aber bis dahin immer ver-
geblich.

Halt da kommt Blumenthal! vielleicht weiss
der es.

Dieser war während der Zeit noch länger und
dünner geworden. Er war sehr aufgeräumt und
sprach seinen ostpreussischen Dialekt mit harter,
lauter Stimme.

„tstsch! pstsch! machte ein Franzose nach und
verrenkte seinen Mund in alle möglichen Stellungen.

Tais-toi avec ta sale langue, rief ein anderer.

Die drei Deutschen flüsterten leise miteinander.

Wie heisst denn das Thema, fragte Blumenthal,
der nicht mehr wagte, von der Seite Heinrichs zu
weichen, um den Zettel an der Thüre lesen zu gehen.

Der Einzug Christi auf dem Esel in Jerusalem.

Ich hab mir doch gleich gedacht, dass es ein
biblisches Sujet sein wird.

Heinrich, den das Vorhergehende schon ärger-
lich gemacht hatte, musste doch über diese Redens-
art, die sein Landsmann bei jeder Gelegenheit an-
wandte, lächeln.

Das ist doch auch eine Kleinigkeit für Sie, da
Sie Gedankenleser gewesen sind, erwiderte er.
As-tu vu Bismarcke
A la porte de Charenton
II a bu du Schnape —.

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