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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 3.1905

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Liebermann, Max: Zwei Original-Holzschnitte von Manet
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https://doi.org/10.11588/diglit.4389#0166

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Gleich wie ein Gott in Träumerei versunken,
dachte ich bei mir selbst.

An meiner anderen Seite fand ich den Narren, der
auf seinem Esel sitzen geblieben war. Sein Sinn
stand nicht nach Glossen, aber einen Augenblick
Hess er seinen Humor wieder einmal durchbrechen,
während er mich spottend anlugte, und die wunder-
liche Situation (wie beim Fallen des Vorhangs), in der
ich mich befand, beim Namen nennend, rezitierte er:

Prophete links, Prophete rechts,

Das Weltkind in der Mitten.

Dann, sehend, dass ich ganz von dem Ge-
schehenen erfüllt, seinen Witz nicht goutierte, zog
er ein anderes Segel auf und legte sein Gesicht
wieder in gedrückte Falten:

Was gut und gross und schön,
Das nimmt ein schlechtes Ende
hörte ich noch aus seinem Munde.

Während alles, was eine Geistesernte von
reicheren Kulturen an wackeren und stolzen und
schönen und gewaltigen und drohenden Gestalten
in dieser barocken Fastnacht zusammengespukt
hatte, in den Strassen des vielerfahrenen Augsburg
wieder verschlungen war in der Nacht der Jahr-
hunderte, waren Claus und Joachim geblieben.

Die Torheit und das Sinnen konnten nicht ver-
gehen.

Aber ich meinte, meinen Ohren nicht trauen
zu dürfen, als die Lippen Joachims sich sanft er-
schlossen hatten, und er, mit einer eignen Wehmut
über seinem blassen Antlitz, Worte sprach, nach
denen ich gerade am Suchen war in meinem eignen

armen müden Kopf:

Das Beste, was wir von vergangner Schönheit erben,
Ist dürft'ges Zitterscheinen von süperben Scherben.

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