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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 3.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.4389#0416

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geschickten und farbig gut komponierten Einteilungen
der Bespannung. Auch für die Zentralheizung, das
dekorative Stiefkind, fanden sich Montierungs- und
Einkleidungsmotive, die mit einfachen Mitteln — Gitter
mit gutgeführtem Linienmuster; Kettengehänge, die
Perlenportieren-Gliederung in Eisen geschickt variieren
— angenehme Wirkungen schaffen. F. P.

AUS MÜNCHEN

Die Frühjahrsausstellung der Secession, mit ihrem
vorherrschend münchner Charakter, der starken Be-
teiligung der jüngeren Künstlergeneration, macht den
Eindruck, als kämen wir der künstlerischen Arbeit hier
näher als sonst, gewönnen in sie einen intimeren Ein-
blick. Dass diese Arbeit intensiv, frisch und begeistert
ist, davon spricht auch die heurige Ausstellung. Das
Publikum klagt über Mangel an Sensation. Allein ge-
rade, dass hier unbekümmert um den äusseren Effekt
ein jeder an der Aufgabe arbeitet, die er sich gestellt
hat, giebt dieser Ausstellung den Zug lebensvollen,
eigensinnigen Ringens nach dem künstlerischen
Ausdruck.

So hat M. Feldbauer sieben grosse Pferdestudien
ausgestellt. Keine Paradebilder des Pferdes. Nicht das
Pferd in Toilette, sondern den schweren Gaul in all-
täglicher Ruhe. Aus der Farbe, dem Licht sind wenig
Wirkungen herausgeholt. Was den Künstler interessiert,
ist die Kraft des derben Knochengerüstes, das Schwellen
der grossen Muskeln, die Spannung der Sehnen. Das
malt er immer wieder, es ist, als setzte er seine Leiden-
schaft darein, dieses schwere warme Leben restlos in
das Bild hinüberzubringen.

Auch bei den Landschaften dieser Künstler, die der
Natur so nah leben, ist das Bestreben, den Stimmungs-
ton des Naturaugenblickes möglichst unmittelbar in das
Bildliche zu übersetzen, wohlthuend. H. von Hajek in
seinen temperamentvoll hingestrichenen Skizzen, einem
kalten, unruhig schäumenden Wasser, einem wüsten
Arbeitsplatz unter Schnee, alten Häusern, die in Schnee,
wie in feuchte Watte, gepackt, unter einem grauen
Himmel stehen, giebt sehr beredt den trüben, melan-
cholischen Glanz bewölkter Wintertage. Bürger's
„Winterabend", zwei Bäume an einem gefrorenen
Wasser unter tief hängenden Wolken, Terglav's „Vor-
frühling", zwei Bäume auf einem nassen, grauen Lande,
sind ganz in einen feuchten Silberton getaucht. Ost-
vald's „Tauwetter" ist von weissen Schneenebeln ver-
hangen und blaue Schatten liegen auf dem Schnee.
Einfach und eindringlich ist in all diesen Bildern die
Lyrik winterlicher Stunden ausgesprochen

In einigen Sonnenbildern, wie inTh. Esser's sonst recht
farbigen Sonnenflecken, hat man das Gefühl, dass das
dickflüssige Zügeische Licht, so in Scheiben geschnitten,

nicht recht leuchten will. Es ist wie geronnenes Licht,
das erst geschmolzen werden müsste, um zu leben.
L. Pietsch's Herbstlandschaft mit den festen, ruhigen
Liniensanfter Hügel in der Dämmerung eines bewölkten
Himmels, ist geschlossener und ausdrucksvoller als
manches seiner früheren Bilder, auf denen ein Streben
nach dekorativer Wirkung das Leben der Landschaft
beeinträchtigte. So noch hier in dem grossen Waldbilde,
das mit seinen gekämmten Zweigen den Eindruck einer
verdure, jener grünenTeppiche des XVIII.Jahrhunderts,
macht. Kaiser und Crodel malen ihre hohen Himmel
mit dem feuchten, silbernen Ziehen grosser Wolken.

Schrader stellt wieder seine schmalen Knabenakte
in den hellen Sonnenschein. Auf dem grossen Bilde,
zwei Knaben mit einer Ziege, sind die Sonnenflecken
auf dem Fleische wohl ein wenig zu grell und stören
den Rhythmus der schmächtigen Glieder. Das kleine
Bild mit dem nackten Bürschchen, das gespreizt auf
seinen dünnen Beinen ganz in durchsichtigen Schatten
steht, ist sehr luftig und hell. Leo Putz überrascht in
seinem grossen liegenden weiblichen Akt durch die
feste, klare, flächenhafte Modellierung und die starke,
ruhige Farbigkeit des Fleisches. Schramm—Zittau hat
sich dieses Mal mit zwei Figurenbildern eingefunden,
Fischer die auf einem bunten Wasser Fische aus dem
Netz nehmen, und eine im Freien ruhende Arbeiter-
familie. Auch hier finden wir den kraftvollen, sichern
Vortrag, den wir an diesem Künstler gewohnt sind.
Anstatt des Farbenglanzes seiner Vogelbilder, sind die
Farben hier gehaltener, ernster. Stilles Arbeiten,
schwerer Schlaf anstatt des Glückes grosser Flügel-
schläge, des sich Wiegens auf blanken Wassern.

Vortrefflich in reinem, starken Leuchten istPh. Klein's
Stillleben, viel weisses Theegeschirr gegen eine hellgelbe
Wand. Dagegen giebt uns das lachende Selbstbildnis
die beachtenswerte Lehre, dass die zu starke Intensität
des Ausdruckes das Bildhafte zerstört. Das Lachen hier
bleibt nicht im Rahmen, es ist gleichsam zu laut für das
Bild. Die Gestalten des Frans Hals, so sehr sie sich auch
mit ihrer Lebensfülle brüsten, sie springen uns nie ent-
gegen, wir müssen stets zu ihnen kommen.

An Skulpturen ist nicht viel da. Ein grosser, sitzen-
der Jünglingsakt in Bronze „der Wächter" von Riedisser
in Rom ist eine schöne Arbeit. Für die Spannung des
ruhenden Körpers mag der sitzende Merkur des
Museums in Neapel, dieses unübertreffliche Bild des
Ruhens in Bereitschaft, Vorbild gewesen sein. Hübsch
sind die Statuetten von E. Wagner und Siegwart und
ein energischer, wilder Jünglingskopf von Louise
Schmidt in Frankfurt a. M. Das ist nicht viel, aber des
Wenigen kann man sich in dem hübschen Oberlichtsaal
behaglich freuen. Ist es für Bilder schon meist ver-
hängnisvoll, in Rudeln zu gehn, Statuen, wenn sie ins
Gedränge kommen, schweigen ganz. —

E. v. Keyserling.

DRITTER JAHRGANG, NEUNTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 23. MAI. AUSGABE AM ERSTEN JUNI NEUNZEHNHUNDERTFÜNF
VERANTWORTLICH FÜR DIE REDAKTION: BRUNO CASSIRER, BERLIN. GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON W. DRUGÜLIN ZU LEIPZIG.
 
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