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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 11
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Fechter, Paul: August Seidel
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0575

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AUGUST SEIDEL, WIESENBACH MIT WEIDEN

AUGUST SEIDEL

VON

PAUL FECHTER

11 der Jahrhundertausstellung las man seinen
Namen nur ein einziges Mal. Und auch
dann noch mit einem Fragezeichen ver-
sehen. Der offizielle Katalog der Münchner
Neuen Pinakothek, der drei Arbeiten von
-JJ ihm (darunter eine zwei Jahre nach Seidels
Tode erworbene) verzeichnet, zahlt ihn noch immer zu
den Lebenden. Die retrospektive Ausstellung in Mün-
chen brachte zuerst seine Skizzen und damit das Wesent-
liche seiner künstlerischen Erscheinung ans Licht.

An August Seidel erfüllte sich noch einmal im Licht
der Gegenwart das Schicksal der Rayski, Wasmann,
Buchholz. Als er am 2. September 1904 starb, schenkte
die Öffentlichkeit dem Todesfall kaum Beachtung. Der
Vierundachzigjährige war vergessen, obwohl er in seinen
Anfängen manchen Erfolg zu verzeichnen und in Ar-
beiten, die erst nach seinem Tode ans Licht kamen,
für die Entwicklungsgeschichte der deutschen Land-
schaft sehr Bedeutsames gegeben hatte.

August Seidel wurde am j. Oktober 1820 in Mün-
chen geboren. Gleich seinem um zwei Jahre älteren
Bruder Franz begann er mit der Wissenschaft, wandte
sich indessen, wiederum dem Vorbilde des Bruders
folgend, bald der Malerei zu. Die wenigen Aufzeich-
nungen über seinen Studiengang nennen Karl Rottmann
als seinen einzigen Lehrer. In der Thathat derZweiund-
zwanzigjährige einige Zeit bei Rottmann gearbeitet; da-

neben aber auch, nach einer Mitteilung seines Sohnes, des
königlichen Okonomierats Franz Seidel in München, etwa
ein Jahr lang die dortige Akademie besucht. Mangel an
Geldmitteln zwang ihn, bald das Studium aufzugeben und
sich als Landschafter selbständig zu machen. Er hatte
Erfolg: seine Landschaften aus dem Alpenvorland, aus
Polling und Eberfing, wo er mit den Brüdern Zimmer-
mann arbeitete, fanden Abnehmer; die Kritik zeigte
sich ebenfalls günstig und selbst in Lütows Zeitschrift
für bildende Kunst fand die Thätigkeit Franz und August
Seidels manche Anerkennung. Bis eine neue Zeit herauf-
kam, deren Tendenzen er ebensowenig verstand, wie
sie die seinigen. Erarbeitete weiter; aber er geriet lang-
sam in Vergessenheit, zum Teil vielleicht durch eigene
Schuld, indem er sein Stärkstes, seine Skizzen für sich
behielt und nur Fertiges herausgab. Als er starb wusste,
ausser ein paar Freunden, niemand mehr von ihm.

Das Wort Delacroix' über Wilkie: „Wie alle Maler
aller Zeiten und aller Länder verdirbt er regelmässig
selbst, was er Schönes gemacht hat", gilt wie von der
Mehrzahl seiner Zeitgenossen auch von August Seidel.
In seinen fertigen Bildern geht das Erlebnis in den
meisten Fällen in der Ausführlichkeit der Arbeit unter:
man spürt es nur noch wie durch einen Schleier. (Die
grosse Gewitterlandschaft von 1884 in der Neuen
Pinakothek ist ein deutliches Beispiel dafür.) In seinen
Skizzen dagegen sind Anschauung und Ausdruck so

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