Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 20.1922

DOI issue:
Heft 6
DOI article:
Scheffler, Karl: Reise in Süddeutschland, [2] : München
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4747#0215

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
CARL CASPAR, NÖRDLICHE SIBYLLE. 1920

gisch zu betonen, doch gerät ihm das Tragische
immer mehr oder weniger zu einem untragischen
Wohlklang, und es bleiben im Gedächtnis mehr
die schmückenden Eigenschaften seiner Malerei
als die ergründenden.

Richard Seewald versteht es, mit einem ent-
schiedenen Sinn für das Kreaturhafte und Erdhafte
der Dinge, das Superlative von Van Gogh und
Cezanne ins behaglich Münschnerische zu über-
setzen, mit wohltuenden Farbenklängen und un-
zweideutigen Konturen das Geistige der Erschei-
nung etwas robust zu formalisieren (Franz Marc)
und mit Haltung eine Mitte zu finden zwischen
der Leidenschaftlichkeit der Vorbilder und der
selbstzufriedenen Ateliergemächlichkeit, wie sie in
einer „Kunststadt" leicht aufkommt.

Josef Eberz fühlt sich, wie es scheint, alten
deutschen Meistern wahlverwandt, vor allem als
Zeichner. In seinen besten Bildern und Zeichnungen
ist, trotz expressionistischer Methodik, ein stilles
und heimliches Leben gemütlicher Art, etwas Er-
zählendes und romantisch Episches. In seinen Ar-
beiten verträgt sich ein dichterisch anschauender
Maler mit einem Schachspieler der Form; er ist
darum ungleich, in seinen besten Bildern und Zeich-
nungen aber ausdrucksvoll.

Julius Wolfgang Schülein malt, mit eigenwil-
liger Zartheit, Stimmungslandschaften. Er ist ein
das Pikante suchender Skizzist, in seinen Land-
schaftsphantasien wird eine heroische Absicht etwas
zu gefällig vorgetragen. Seine Bilder erinnern ent-
fernt an Prospekte aus der Mitte des neunzehnten Jahr-
hunderts; er gewinnt der Impression schmückende
und illustrative Wirkungen ab.

Max Unolds Stilleben sind ruhige, kultivierte
Arbeiten, in denen ein Cezanneeinfiuß fast restlos
kunstgewerblich geworden ist. Cezanne hat über-
haupt mächtig in München gewirkt, seit Weiß-
gerber ihn dort popularisiert hat. Doch haben die
Münchner den faustischen Cezanne ein wenig
zum „Kindl" gemacht.

Frau Caspar-Filser ist eine begabte Malerin,
die ein Ganzes zu sehen und zu gestalten weiß.
Was bei einer Frau selten ist. Auf den Spuren
Cezannes einhergehend (auch sie!) und ihm nach-
sprechend, wie eine kluge und warmherzige Frau
einem bewunderten Mann nachspricht, ergreift sie
mit Mannesmut die schwierigsten malerischen
Probleme und scheut sich nicht eine liebens-
würdige weibliche Banalität teilnehmen zu lassen.
Ei gen ist ihr ein nicht gewöhnlicher Sinn, die
Fläche malerisch aufzuteilen und sie mit dem
Schein von Bedeutung zu schmücken.

Oskar Coesters Bilder wirken in ihrer ver-
kneteten Technik und nebulösen Auffassung reich-
lich atelierhaft; doch spricht aus ihnen ein Sinn
für das Künstlerische, der sich selbst erzogen hat
und der, rings von erdrückenden Anregungen um-
geben, eine gewisse Eigenart zu wahren weiß.

Julius Heß ist, wie es scheint, zu lange in der
Lehre alter Meister geblieben. Seine Malerei hat
den Museumszug und wird umso unpersönlicher,
je länger man sie ansieht. Innerhalb dieser Be-
dingtheit aber ist ihr eine gewisse Reife und Ab-
geklärtheit eigen.

198
 
Annotationen