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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 20.1922

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Heft 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.4747#0235

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figur und kleine Idole von jenen seltsamen Osterinseln,
über denen die geheimnisvolle und melancholische Luft
einer längst versunkenen Kulturhöhe liegt, sind noch be-
sonders zu bemerkende Arbeiten.

Daß wir Europäer sind, und die Zukunft unserer Kunst

keineswegs von der primitiver Exoten erwarten, kann uns
nicht an der Erkenntnis hindern, daß „hinter dem Berge"
auch Menschen waren und daß sie Dinge geformt haben,
die Kunst und als solche allgemeinverständlich sind.

v. Alten.

NEUE BÜCHER

Fritz Lugt, Les marques de collections de des-
sins et d'estampes. Amsterdam 1921.

Ein liebenswürdiges Buch, wie man es nach dem
trocknen Titel schwerlich erwarten würde, ein Nach-
schlagewerk, das man aber auch kapitelweise mit wirk-
lichem Genuß lesen kann und das eine Fülle von Wissen
ausstrahlt!

Der Verfasser, der sich durch sein neuerdings auch in's
Deutsche übersetzte Werk „Wandelingen met Rembrandt
in en om Amsterdam" schnell einen guten Namen erworben
hat, bietet hier ein Verzeichnis der Sammlermarken, das
eine schwer empfundene Lücke in der Fachliteratur aus-
füllt und die Hoffnungen, die man seit Jahren auf sein
Erscheinen setzte, nicht nur erfüllt, sondern weit übertrifft.
Mußte man sich doch seit 1883 mit dem ganz unzureichen-
den und dennoch heut zur literarischen Seltenheit gewordenen
Katalog von Fagan (Collectors Marks) behelfen, der mit
seinen etwa 670 vielfach ungenau faksimilierten Sammler-
zeichen gewöhnlich grade da versagte, wo man ihn zu Rate
zu ziehen genötigt war.

Leider hat ein schlechtes Buch die üble Folge, das Er-
scheinen eines guten über den gleichen Stoff zu verhin-
dern oder doch ungebührlich zu verzögern. Lugt hat sich
die Mühe nicht verdrießen lassen, in seinem mit staunens-
wertem Fleiß zusammengetragenen stattlichen Werk mehr
als 3000 Nummern zu vereinigen und sich bei jeder der-
selben nicht wie Fagan mit knappen, oft auf mangelhaften
Informationen beruhenden Angaben begnügt, sondern alles
Wissenswerte gegeben, was über jede der angeführten
Sammlungen irgend zu seiner Kenntnis gelangte.

Auf diese Weise ist ein Band zusammengekommen, der
in übersichtlicher Anordnung an der Hand von absolut ge-
treuen und zuverlässigen Facsimilcs dem Benutzer Gelegen-
heit bietet, sich über die Bedeutung jedes Stempels und
jeder Signatur sofort zu unterrichten. Natürlich bleibt ein
kleiner Bodensatz unerklärter Zeichen und Monogramme,
aber er ist prozentual sehr gering gegen den, welcher Fa-
gans Handbuch so unbrauchbar machte und seinen Benut-
zern soviel ärgerliche Enttäuschungen bereitete.

Es ist durchaus keine Hyperbel, wenn ich behaupte, daß
wohl sehr wenige kunstwissenschaftliche Werke mit einer
so fabelhaften Akribie abgefaßt sind, wie das vorliegende.
Stichproben, die man nehmen kann, wo man mag, beweisen,

mit welcher Sorgfalt der Verfasser nicht nur die Geschichte
der einzelnen Kabinette wie die des Prentenkabinetts in
Amsterdam, der Albertina in Wien, der Bibliotheque Natio-
nale in Paris, der Bibliotheque Royale de Belgique in
Brüssel,, des Printrooms in London, der öffentlichen Samm-
lungen in Berlin, Dresden, München usw. niedergeschrieben
hat, sondern auch wie genaue Erkundigungen er über die
Privatsammler, ihr Lieblingsgebiet, die Versteigerungen ihrer
Schätze eingezogen und für seinen Zweck verwertet hat.
Auch unter den Kunsthändlern ist von Mariette bis zu Voigt-
länder-Tetzner keiner vergessen, der sich durch Anwendung
von Stempel oder Signatur auch als feinsinniger Amateur
erwiesen hat.

Mit wirklichem Vergnügen liest man die biographischen
Angaben über einzelne berühmte Sammler und die Ge-
schichte ihrer Sammlungen bis zu deren Verstreuung in
alle Winde. Hier steht der Name „Peter Lely" obenan.
Aber auch die Artikel über Reynolds, Lawrence, Balmanno,
Esdaile, Robinson, Wilson, Ottley, Hawkins, Heseltine,
Seymour Haden und Theobald, über Marolles, Crozat, Ja-
bach, Vivant-Denon, Robert-Dumesnil, Arozarena, His de la
Salle, Demidoff, Destailleur, Firmin-Didot, Goncourt, Burty,
Bonnat, Galichon, Roth und Roger Marx, über Ploos van
Amstel und Verstolk van Soelen oder Fürst Paar, v. Quandt,
Graf Harrach, Lanna und Davidsohn bieten eine Fülle des
Interessanten und Wichtigen. Sie sind in wohltuendem
Gegensatz zu den meisten anderen lexikalischen Werken
lesbar, mitunter gar spannend geschrieben. Immer wieder
fragt man sich erstaunt, welche unendlich mühseligen Vor-
arbeiten und Korrespondenzen mit aller Welt einem Buche
zugrunde liegen müssen, das mit soviel Bescheidenheit
und Selbstverständlichkeit auftritt um auf jeder Seite dem
Benutzer eine Fülle reichster Belehrung zu bieten.

Ein Werk, das wie das vorliegende in seiner Art unüber-
trefflich ist, nirgends einen Angriffspunkt oder auch nur
eine verbesserungsbedürftige Stelle bietet, an der die Kritik
ihr altgeheiligtes Recht des Besserwissens üben und dem
geneigten Leser vor Augen führen könnte, ist ein seltener
Vogel und als solchen möchte ich es allen Sammlern aufs
wärmste empfehlen. Einen bedauerlichen Fehler hat es
allerdings. Es kostet in Deutschland fast 2000 Mk. Aber
daran ist nicht Fritz Lugt, sondern die böse Fee Valuta
schuld. Max Lehrs.

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