Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 20.1922

DOI Heft:
Heft 11
DOI Artikel:
Bulle, Heinrich: Die "Malerschule von Tarquinii"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4747#0399

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
HARLEKINTÄNZER, TOMBA DEGLI AUGURI. abe. 4

an das Machen, wodurch die Etrusker ihre Erfolge
erzielen. Auch bei den Kleinbronzen ist bestes
Etruskisch bisweilen nicht von Griechischem zu
unterscheiden. Aber bei der Mehrzahl, und gerade
bei den sorgfältigsten Stücken empfindet man etwas
Schwerflüssiges, Gehemmtes, im griechischen Sinne
Ungelöstes, was sich bei Monumentalwerken wie
dem berühmten Mars von Todi peinlich steigert.
Brunn umschrieb dies Phänomen gern mit einem
treffenden Wort des Horaz aus der Ars poetica auf
den Handwerker, der in allen Einzelheiten vor-
trefflich ist, aber: Infelix operis summa, quia ponere
totum nesciet. „Unglücklich im Wesen des Werks:
denn zu ordnen ein Ganzes weiß er nicht". (Voss.)

Etruskische Figuren stehen nicht mit der inner-
lich gespannten Kraft auf ihren Beinen wie die
griechischen, da denn auch Künstler und Volk
nicht das gleiche gymnastische Körpergefühl haben.
Etruskische Monumentalwerke haben nicht das gott-
begnadete innere Gleichmaß und Gleichgewicht der

Teile; es fehlt ein ursprüng-
licher Gesamtrhythmus, ein
organischer Zusammenhang
bleibt ungefühlt, eine wich-
tige Proportion ist nicht ge-
troffen. Statt dessen drängt
sich immer irgendwo ein all-
zufleißiges Nebenwerk vor.
Man sehe an dem vortreff-
lichen Tonsarkophag mit dem
gelagerten Ehepaar (Weege,
Abbildung 2) die platten Beine,
die leblos neben dem auf-
rechten Oberkörper liegen;
oder den nun doch wirklich
„pinguis Etruscus" des Cor-
netaner Sarkophags (Weege,
Abbildung 3), dessen feinrea-
listischer Kopf hilflos in eine
zerfließende Körpermasse ver-
sinkt. Selbst an einem Werke
von allerhöchstem persön-
lichem Range wie dem Apoll
„des Vulca" aus Veji (Zeit-
schrift für bildende Kunst
1921, S. 27 ff.) fühlt man im
Schreiten, in den Proportio-
nen, in gewissen Ängstlich-
keiten des Gewandes den
Mangel jenes letzten instinktiven künstlerischen
Gesamtgefühls, das nun einmal einzigartig griechisch
ist. Wogegen dann die Chimaira von Arezzo in
der bis ins letzte beseelten Schwungkraft ihrer
leidenschaftlichen Linien unzweifelhafte griechische
Sprache spricht.

Für die etruskischen Wandgemälde fehlt bei
dem gänzlichen Verlust der griechischen Monumen-
talmalerei jeder unmittelbare Vergleich. Hätten wir
etwa aus Phokaea oder seiner Tochterstadt Massilia
(Marseille), der Meeresnachbarin Etruriens, wenig-
stens gesicherte Vasenbilder, so wäre die Frage
nach dem spezifisch Etruskischen schon leichter
zu beantworten. So müssen wir überdies damit
rechnen, daß in den Gräbern von Tarquinii zu-
gewanderte Griechen neben den Etruskern gearbeitet
haben, wie es für die Tonbildnerei gerade dieser
Stadt aus Plinius sicher ist. Hier bleibt nichts
anderes, als es mit dem Brunnschen Schlüssel zu

382
 
Annotationen