Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Waldmann, Emil: Die Verschwörung des Julius Civilis von Rembrandt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0168

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Greise, wenn sie reiche, und unmündige Knat>en,
wenn diese nur schön und schlank waren, zum
Militärdienst einzuziehen, nicht immer zur Ver-
wendung im Kriege, sondern um Geld für den
Loskauf vom Kriegsdienst zu erpressen. An die
Spitze des aus dieser Empörung hervorgegangenen
Aufstandes stellte sich Julius Civilis, ein Bataver
aus königlichem Stamm, der durch römischen
Militärdienst hindurchgegangen war und durch rö-
mische Tücke seinen Bruder verloren hatte. Bei
einem nächtlichen Mahl in einem heiligen Hain
läßt er die Getreuen, aus allen Ständen und allen
Altersklassen, schwören, das Vaterland zu befreien.

Es war also keine Willkür seiner Phantasie,
wenn Rembrandt den Vorgang zu einem Nocturno,
zu einer Nachtwache, gestaltete. Die Historie bot
ihm dies an und er griff mit beiden Händen zu,
aus ihm eine Dichtung in Licht und Schatten zu
machen. Daß er den heiligen Hain in eine Archi-
tektur verwandelte, hängt mit dieser Lichtkunst zu-
sammen. Er brauchte feste Wände und einen Vor-
hang als Hintergrund und Folie für seine Licht-
und Schattenfluten.

Die Lichtquelle ist verdeckt. Sie steht, wohl
als niedrige Schale oder Kohlenbecken gedacht,
mitten auf dem Tisch, hinter den Rückenfiguren.
Vorhang und Baldachin pressen das Licht zusam-
men, das nun wie eine Art von Rampenlicht die
Figuren bestrahlt. Am stärksten leuchtet es in der
bartlosen Gestalt rechts neben Civilis, der mit dem
weißen Stirntuch und der Perle im Ohr. Auf Ci-
vilis' Hermelin über der Stirn und an seiner Schwert-
spitze flammt es auf, dann am Ärmel des priester-
lichen Alten, der mit seinem Bart aussieht wie
sonst Nathan bei Rembrandt aussieht. An den
Enden des Tisches verdämmert es nach rechts all-
mählich. Nur die für hohen Platz bei tiefem Blick-
punkt gegebene Tischfläche, beinahe wie eine Tisch-
kante wirkend, ist in ihrer ganzen Erstreckung
gleichmäßig hell. Wie eine Geislersche Röhre
leuchtet diese Lichtbahn, um sie herum fluktuiert
und phosphorisiert es, glänzt und schimmert es,
flammt es auf und wird düster. Die Gestalten, von
Lichtern und huschenden Schatten umspielt, hier
überdeutlich, dort unklar, stehen in einer Sphäre
von dämonischer Unwirklichkeit, von poetischer
Traumwahrheit.

Die farbige Gesamthaltung der Szene hat etwas
von gleisnerischer Pracht. Es ist das hellste Bild

des späten Rembrandt, nie hat er die Verschmel-
zung von Licht und Farbe weiter getrieben als
hier. Keine Farbe spricht laut als Lokalfarbe, wie
doch aur dem „Jakobssegen" und dem „Verlorenen
Sohn" das Rot, die Farben sind so unfaßbar im
Licht durcheinandergewoben wie auf dem Braun-
schweiger Familienbild, nur auf hellerer Skala. Vor
einem stumpfen, pfirsichbraunen, oben mit dunkel-
goldigem Baldachinrand gedeckten Vorhang leuch-
tet der farbige Spuk über dem hellen Tisch auf
farbig, aber mit viel weißen Reflexen. Civilis ist
in Goldlila und Silberweiß gekleidet, mit kanarien-
gelber Goldkette, auf den Schultern stumpfvergiß-
meinnichtblaue Reflexe, über dem lilabraunen Ant-
litz liegt weißer Hermelin, darüber türmt sich die
mattgoldbereifte Tiara in abwechselnd saphirblauen
und rötlichen Dreiecken. Der alte Priester links
trägt weißes Gewand, der lange Bart unter dem
rosabraunen Gesicht ist perlgrau, das Kopftuch matt
tabakbraun. Neben ihm der Soldat mit dem roten
Schnurrbart funkelt unheimlich in Goldsilber und
etwas Lila dazwischen, seine Beine leuchten hell-
kirschrot. Vor dem Tisch die Gruppe der Rücken-
figuren, die in Natur bei solcher Beleuchtung doch
eine dunkle Schattenmasse wäre, trägt große, aber
gedeckte Flächen stumpfen Rots, im Knaben ist
es ein mattes golddurchwirktes Pfirsichrot, im
Schalenhalter wird das Pfirsichrot noch matter,
wird dann in der Mütze des Stehenden, der eine
blauweißgeschlitzte Jacke und saphirblaue Hosen
trägt, etwas intensiver, fällt dann in dem zurück-
geworfenen Mantel neben dem dunkelbronzenen
Weinkrug wieder in stumpfe pfirsichbraunrote und
mattgoldene Flächen zurück. Dann springt es über
den Tisch, setzt sich fest in der Mütze des grin-
senden Alten über hellgrünblauem Rock, braun-
rotem Gesicht und stumpfgoldnem Stirnreif und
sammelt sich zum letzten Male in großer Fläche
in dem Wams seines Nebenmannes; goldene Ärmel
und der in silbergelben Reflexen schimmernde Glas-
pokal vor ihm bringen das Rot hier zum Schwei-
gen, so wie der Bärtige im flachen Hut und das
Profilantlitz rechts neben ihm kalte gelbe und bläu-
liche Reflexe von dem Blau des Stehenden in dem
geschlitzten Wams bekommen. Die Farbe über-
quert hier das unsichtbare Lichtzentrum. Es be-
strahlt den Bartlosen mit der Perle im Ohr weiß-
lich und kanariengelbgrün, sein Gesicht ist bleich,
rosaweiß, sein Kopftuch weißlich mit mattem Braun

142
 
Annotationen