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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 5
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Bruhns, Wolfgang: Die Künstlerische Modenzeichnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0205

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Sieht man von bildnismäßigen Darstel-
lungen mit ihrer genauen Zeittracht ab und
schaltet man alle sogenannten Kostüm- oder
Gewandstudien aus, die rein malerische oder
kompositionsmäßige Teilentwürfe zu späte-
ren Bildern sind, etwa um die Faltengebung
oder ein Draperiemotiv schärfer zu erfassen,
so bleiben nur die Modenzeichnungen im
engeren Sinne von Künstlern, die bald aus
Freude an ihrer allgemeinen modischen Um-
gebung, bald aus Interesse an einer bestimm-
ten Kleidform schufen oder endlich auch
zu dem ausdrücklichen sachlichen Zwecke,
einen Entwurf für den Schneider zu liefern.

Mit dem ausgehenden Mittelalter hebt
die Reihe dieser Modezeichner an, als die
„burgundische Tracht" als erste auf eine
Stilisierung des menschlichen Körpers durch
Form und Schnitt des Kleides ausging und
damit die erste wirkliche Mode schuf. Pisa-
nello (Abb. i) sieht sich kaum satt an den
eleganten Herren und Damen, die würde-
voll wie die Pfauen in ihrer eben nach Italien
importierten neuesten Mode einherstolzieren;
immer wieder sucht er dem stoffreichen,
schleppenden Gewände mit den riesigen
Flügelärmeln neue Reize zu entlocken und
läßt dabei auch die phantasievollen Ranken-
muster seiner Modelle, die den Stoff be-
leben, nicht aus den Augen. Den scharfen
Beobachter zeigt auch die verschiedenartige Zeich-
nung der Sendelbinde, die das eine Mal über Schulter
und Rücken flattert, das andere Mal turbanartig
auf das darunter liegende Barett getürmt ist und
den Eindruck des Schlanken und Stutzerhaften
noch verstärkt.

Die deutschen Graphiker der Spätgotik, voran
der Hausbuchmeister, haben in manchen Zeich-
nungen die Wirkung dieser Mode auf deutsche
Augen und ihr langsames Abwandeln ins Hand-
fest-bürgerliche festgehalten.

Die mehr behäbige als elegante Vornehmheit
in der Nürnberger Frauenmode um 1500 schildert
Albrecht Dürer in seinen bekannten aquarellierten
Federzeichnungen der Albertina. Etwas später sind
seine weniger bekannten Entwürfe zu einem Hof-
kleide entstanden (Abb. z), die nicht nur den ge-
wiegten Schneiderkünstler verraten, sondern auch
zeigen, wie der Künstler aus dem durch die Re-

DURER, ENTWURF ZU EINEM HOFKLEIDE. 1515. ZEICHNUNG

ABB. 2. WIEN, ALBERTINA

naissance-Mode gegebenen Motiv der Schaube und
ihrer weiten Schmuckärmel ein eigenartiges neues
Festgewand von fast heraldisch-dekorativem Cha-
rakter aufzubauen versteht.

Eine halbe Generation später hat der jüngere
Hans Holbein die verfeinerte Eleganz der Basler
Patrizierfrauen in einer Reihe von Tuschzeich-
nungen zum Anlaß genommen, um daraus frei
nach der Natur künstlerische Entwürfe für das
edle Schneiderhandwerk zu formen: der feine Blick
für die modische Silhouette ist dem Zeichner Hol-
bein in gleichem Grade eigen, wie auf anderen
seiner Blätter der dekorative Sinn für ein Gefäß
oder ein Goldgeschmeide.

Seit der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahr-
hunderts treten uns in den Trachtenbüchern die
charakteristischen Darstellungen der Mode, die da-
mals die „spanische" hieß, entgegen. Einzelne
handgezeichnete oder -gemalte Bilderfolgen und

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