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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0241

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Ingres war bei einem Bildhauer zu Be-
such. Im Atelier stand das Modell eines
Anglers, mit einer kurzen Hose bekleidet.
Ingres ging mehrmals herum, sichtlich un-
zufrieden. Schließlich fragt er: „Wovon
leben Sie, junger Mann?" „Ich habe von
Hause eine kleine Rente." Darauf polterte
Ingres wütend los: „Wenn Sie eine Rente
haben brauchen Sie doch in Teufels Namen
ihrer Figur keine Hose anzuziehen."
*

Seit dem Augenblick, wo die neu er-
worbene griechische Göttin im Berliner
alten Museum öffentlich ausgestellt wor-
den ist, hat die Farbe, die in Spuren noch
vorhanden ist, merklich nachgelassen. Der
Grund ist, daß die Göttin über den Preis
von einer Million Goldmark erblaßte.

*

Dem Direktor eines mitteldeutschen
Museums, einem Archäologen von echtem
Schrot und Korn, wird morgens gemeldet,
daß nachts ein wertvoller altdeutscher
Schmuck gestohlen worden sei. „Das ist
nicht so schlimm", sagte er, „er ist ja
nicht antik."

*

Als am bayrischen Hofe in München
ein Berliner Gast von Justi, dem Direktor
der Nationalgalerie sprach, meinte eine Hof-
dame verwundert: „Merkwürdig, wir spre-
chen den Namen hier immer Tschudi aus."
*

Ausruf auf einer Graphikauktion bei
Graupe: „Slevogt, Bildnisradierung Emil
Waldmanns, ohne Widmung des Darge-
stellten, sehr selten!"

*

Ein Kunsthistoriker führt eine Schar
von Herren und Damen durch eine Ort-

MARLICE HINZ, FEDERZEICHNUNG

schaft der Lüneburger Heide und macht
Halt vor zwei Häusern. Das eine ist deut-
sche Renaissance, das andere Barock. Er
lobt das Renaissancehaus sehr und be-
handelt das Barockhaus verächtlich. Den
Einwurf einer Dame, daß das barocke
Haus in der Qualität aber eigentlich höher
stände, fertigt er schroff mit dem Wort
ab: „Ach was, Qualität! Das ist auch so
ein Wort von Liebermann."

*

Kaufe nie ein inkomplettes,

Noch so nettes

Inkunabelbuch.

Bald genug

Kommt die Zeit,

Wo dichs reut,

Und nur schwerlich findst du dann,
Der dirs abnimmt, einen Mann.
(Von dem einstigen Direktor des Berliner
Münzkabinetts v. Sallet.)

*

Egon Friedell geht durch eine Kunst-
ausstellung. Er bleibt vor einem kubistischen
Bilde stehen, dessen Gegenstand absolut
nicht zu entziffern isr. Der Maler steht
zufällig neben ihm und erklärt: „Das
stellt nämlich Ragusa vor." „Ja, sehen
Sie," sagt Friedell, „ich wußte immer,
daß ich von Malerei nichts verstehe. Ich
hatte gedacht, es wäre Spoleto."

*

Lippmann, der selbst ganz unmusi-
kalisch war, war in einem sehr musik-
liebenden Hause zu Gast. Als man anfing
zu musizieren, zog er sich mit einem Herrn
ins Rauchzimmer zurück, und es ent-
wickelte sich eine angeregte Unterhaltung.
Der Hausherr öffnete die Tür: „Aber meine
Herren, man hört drin jeden Ton." Darauf
Lippmann: „Wir hören hier auch jeden
Ton."

VIERUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, FÜNFTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 20. JANUAR. AUSGABE AM 1. FEBRUAR
NEUNZEHNHUNDERTSECHSUNDZWANZIG. REDAKTION KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER, BERLIN
GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER, G. M. B. H., LEIPZIG
 
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