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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 9
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Liebermann, Max: Rede zur Eröffnung der Frühjahrsausstellung der Akademie
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0376

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Alles Theoretisieren und Asthetisieren ist doch
höchstens Umschreibung: sie bedeuten nichts gegen
die demonstratio ad oculos.

Dank der Liberalität einiger unserer Berliner
Kunstfreunde und der Bereitwilligkeit der Leiter
der bayerischen, sächsischen, badischen, hambur-
gischen Staatsgalerien — ja sogar die schwedische
Staatsgalerie hat uns ihren wundervollen Leibi ge-
sandt — sind wir in den Stand gesetzt, eine kleine
Sammlung deutscher und französischer Kunst aus
der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zu
zeigen. Im Namen der Akademie spreche ich allen,
die uns bei diesem Unternehmen ihre Unter-
stützung geliehen haben, wärmsten Dank aus, ins-
besondere der Frau Geheimrat Arnhold, die ganz
im Sinne ihres verstorbenen Gatten uns sieben
der wertvollsten Bilder ihrer Sammlung anver-
traut hat.

Eduard Arnhold war Ehrenmitglied unserer
Akademie. Durch diese höchste Ehre, die die
Akademie zu vergeben hat, sollte der Dank zum
Ausdruck gebracht werden, den wir dem seltenen
Manne schuldeten. Durch länger als ein Menschen-
alter war er uns Freund und Förderer. Er unter-
stützte die Kunst und die Künstler in vorbildlicher
Weise, indem er aus der Unterstützung ein nobile
officium machte, sich zur Freude, die er dem
Künstler schuldete. Die Tiefe seines Gemüts ent-
sprach — was wohl selten der Fall — den her-
vorragenden Eigenschaften seines Verstandes. Mit
welchem Geschmack und welcher Voraussicht er
gesammelt, zeigen die sieben uns geliehenen Perlen
seiner Sammlung.

Diese kleine Sammlung deutscher und fran-
zösischer Meister macht keinen Anspruch auf Voll-
ständigkeit oder gar auf Einheitlichkeit. Nur ein
Band hält sie zusammen: bei aller Verschieden-
heit der Begabung gehören die Meister zu denen,
die bei ihrem Schaffen die volle, wahre und doch
idealische Natur vor Augen hatten. Ich brauche
wohl nicht ausdrücklich zu bemerken, weil es
selbstverständlich ist, daß wir durch diese Samm-
lung von Meisterwerken nicht etwa zeigen woll-
ten: „So muß gemalt werden« oder gar durch sie
zu einem Vergleich mit den andern vorgeführten
Werken herausfordern wollten. Beide Unter-
stellungen wären gleich unkünstlerisch und kämen
daher einer Beleidigung gleich. Wer selbst ein
Menschenalter für die Freiheit des Künstlers sich
auf seine Weise auszudrücken, gekämpft, gestritten
und manches gelitten hat, wird als Greis nicht
dieser Freiheit entgegentreten, zumal sie von keiner
Seite mehr — dem Himmel sei Dank — ange-
fochten wird. Ebenso ungereimt wäre die andere
Annahme: daß wir zu einem Vergleich auffordern
wollten zwischen der in unserer Ausstellung ge-
zeigten Jahresproduktion und den Meisterwerken,
die in mehr als fünfzig Jahren entstanden, ge-
sichtet und durchgesiebt sind.

In der Kunst gibt es überhaupt vollendete
Werke nur insoweit, als sich in ihnen der Meister
vollendet hat. Die Kunst ist grenzenlos, allein die
Ausdrucksfähigkeiten ihrer Mittel setzen ihr Schran-
ken. Sie zu erweitern ist Aufgabe der kommen-
den Genies. Mögen sie uns bald geschenkt wer-
den zu größerem Ruhme unserer Kunst!

MAX SLEVOGT, ZEICHNUNG IN EINEM BRIEF

AUS DER AUSSTELLUNG IM VERLAG BRUNO CASSIRER, BERLIN

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