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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 9
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Faber du Faur, Hans von: Erinnerungen an Maler, [3]: Lenbach
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demie geführt, wo man mir eine Anzahl Kartons
mit offensichtlich von Lenbach aufgezeichneten
Köpfen zeigte, die teilweise schon etwas mit Pastell
überarbeitet waren und bei denen die Unterschrift
etwas undeutlich (so daß man zur Not auch etwa
Fenbach statt Lenbach lesen mochte) imitiert war.
Diese Kartons wurden von einem mir bis dahin
völlig unbekannten Kunsthändler dem jungen Kom-
ponierschüler, regelmäßig und immer eine größere
Anzahl auf einmal, zugeschickt mit der schrift-
lichen Aufforderung, „diese ,RafFaels' etwas in Farbe
zu setzen", wofür er eine bestimmte, sehr beschei-
dene Bezahlung pro Kopf erhielt. Man berichtete
weiter, daß diese Kartons in den frühen Morgen-
stunden von einer Person, die bei Lenbach arbei-
tete, aus dem Lenbachhaus packweise zu einem
Kunsthändler verbracht wurden, von dem aus
Fälschung und weitere Verteilung organisiert wur-
den. Man regte an, ich solle doch, da ich mit
Lenbach befreundet sei, ihn auf diesen ihn schä-
digenden Unfug aufmerksam machen. Lenbach
war sehr froh über die Mitteilung, verbürgte sich,
daß dem jungen Künstler, der nur aus Bedürftig-
keit sich auf die zweifelhafte „Kolorierung" einge-
lassen hatte, keinerlei Nachteiliges daraus erwachsen
sollte und noch im Laufe des März wurden die
angeführten Vorgänge von Untersuchungsbeamten
und -richtern festgelegt. Dennoch konnten die
mehrere Tage dauernden Gerichtsverhandlungen in
diesem großzügigen Bilderdiebstahl erst im Novem-
ber 1895 geführt werden. Wenn die Ermittelun-
gen über eineinhalb Jahre in Anspruch nahmen,
so förderten sie dafür auch eine ganz überraschend
große Zahl gefälschter und gestohlener Bilder
zutage. Bei Durchforschung der Bücher der be-
teiligten Kunsthändler war man natürlich auch auf
die drei obenerwähnten, von meiner Mutter ge-
kauften Bilder gekommen und sie mußte dieselben
abliefern. Lenbach machte ihr Vorwürfe, so
schlechte Bilder von ihm gekauft zu haben, statt
sich von ihm viel bessere schenken zu lassen Und
schenkte ihr auch wirklich als Ersatz drei vorzüg-
liche Pastelle. Dieser sensationelle Bilderdiebstahl,
bei dem in verhältnismäßig kurzer Zeit Bilder, die
der Zahl nach dem ganzen Lebenswerk von ein
bis zwei Künstlern entsprochen haben dürften, in
Umlauf gebracht werden konnten, wird nur er-
klärlich durch die ungewöhnliche Produktivität
und die eigentümliche Arbeitsart Lenbachs. Dieser

hatte damals schon lange die Gewohnheit ange-
nommen, seine Porträts stets damit zu beginnen,
daß er zunächst durch Aufpausen der wesentlichen
Linien des Kopfes eine Grundlage für das Formale
und den Ausdruck schuf. Zu diesem Zwecke
brachte er die photographische Vergrößerung, mit
einem Kopierpapier darunter, auf die gewünschte
Stelle des Kartons und pauste dann mit einem
Holzgriffel die wesentlichen Konturen auf den
Karton. Dies ging natürlich blitzschnell und mit
der wachsenden Übung immer schneller, auch ge-
wannen die Linien mit der Zeit immer größere
Ausdrucks Fähigkeit. Wenn nun bei solchen Pausen
der Kopf nach seinem Emplacement oder seinem
Ausdruck nicht völlig entsprach, wurde er bei-
seite geworfen und ein frischer Karton genommen.
Diese ausrangierten Kartons sollten später wieder
eingestampft und neu verwertet werden, wozu
sie in großen Massen auf einem Speicher ver-
wahrt waren, von wo sie dann packweise fortge-
stohlen wurden. Alle die Fälschungen waren des-
halb so schwer festzustellen, weil sie sämtlich die
unverkennbare, persönliche Linienführung Lenbachs
aufwiesen und man kam gar nicht auf den Ge-
danken, sie könnten im Stadium der Zeichnung
gestohlen und dann erst koloriert worden sein.

Durch einen Zufall kam ich in Lenbachs
Atelier einmal in einen kleinen Nebenraum und
es interessierte mich, dabei zu sehen, daß in dem-
selben ringsherum ein Holzregal lief, auf dem
außer den Farben die Photographien, klein und
in Vergrößerungen, zu sämtlichen Bildern, an
denen Lenbach im Atelier gerade arbeitete, auf-
gestellt waren. Es war mir oft aufgefallen, wie
Lenbach, während er mit Besuchern plauderte, an
verschiedenen Bildnissen abwesender Menschen
malte und dabei, nachdem er sich eben rasch eine
Farbe geholt, ganz bestimmte Einzelheiten der Form
fixierte. Dies Geheimnis wurde mir gelöst, da ich
fand, daß hinter jenem Vorhang die photographi-
schen Vorstudien, ganz systematisch geordnet, die
formalen Aufschlüsse boten, die das abwesende
Modell nicht geben konnte.

Lenbachs originelle Schlagfertigkeit und seine
drolligen Witze sind bekannt. Er hatte gerade das
Bildnis einer Finanzgröße beendet. Der eben er-
wachsene älteste Sohn ging darauf los und sagte:
„Ich kann mir nicht helfen, das ist nun einmal
nicht mein Vater, wie ich ihn sehe", worauf

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