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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 11
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0482

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John D. Rockefeiler hat der amerikanischen archäo-
logischen Schule in Athen einen Betrag von vier Millionen
Dollar zur Verfügung gestellt, der für Ausgrabungen an der
Akropolis Verwendung finden soll.

Mary Cassatt ist hochbetagt vor kurzem auf ihrem
Landsitz in der Nähe von Paris gestorben. Die Künstlerin
war im Jahre 1845 m Pittsburg geboren. Dreißigjährig
kam sie nach Europa und bildete sich in Paris in nahem
Umgang mit Manet, Degas und Renoir. Besonders mit
Degas verband sie Freundschaft, und sie dankte dem be-
wunderten Meister, der sie übrigens in einer seiner be-
kanntesten Radierungen verewigt hat, das Beste ihrer Kunst.
Im Jahre 1893 trat sie zum ersten Male mit einer größeren
Ausstellung bei Durand-Ruel an die Öffentlichkeit. Nament-
lich ihre Radierungen erfreuten sich seither steigender Be-
liebtheit. Aber auch als Malerin wurde sie geschätzt. Erst
kürzlich erreichte eines ihrer Mädchenbildnisse auf einer
Pariser Versteigerung den ansehnlichen Preis von 50000 fr.
Ihre geschmacksichere, aber etwas einförmige und triviale
Manier schaffte ihr früher Erfolg als der sensitiveren Berthe
Morizot, mit der zusammen sie als weibliche Begleiterin der
großen Impressionisten ihren Platz in der Geschichte be-
wahren wird.

Dem Museum in Chicago ist von dem Maler Frederick
Clay Bartlett und seiner Gattin Helen Birch-Bartlett eine
Sammlung von Gemälden neuer französischer Kunst ge-
stiftet worden. Zusammen mit dem Ryerson-Legat besitzt
Chicago nunmehr eine recht ansehnliche Galerie moderner
Malerei. In der Bartlett-Sammlung ist Cezanne mit einem
bedeutenden Stilleben, Van Gogh mit dem berühmten Schlaf-
zimmer in Arles und einem Bückling-Stilleben, Gauguin mit
einem großen Tahiti-Bilde von 1894, Henri Rousseau mit
einem Urwald von 1910 vertreten. Das Hauptstück der
Sammlung ist Seurats „Grande Jatte". Es ist die vierte der
großen Kompositionen Seurats, die in öffentlichen Besitz ge-
langt ist, nachdem dem Louvre kürzlich von einem ameri-
kanischen Sammler der Circus vermacht, von der Tate-Gallery
die Badenden angekauft worden und der Cancan aus der
Sammlung Götz in die Kröller - Sammlung im Haag über-
gegangen ist. Von der jüngeren Generation sind in Chicago
Matisse, Derain, Modigliani und Picasso mit charakteristischen
Werken vertreten. Von außerfranzösischen Künstlern hat
Bartlett nur einige Bilder Ferdinand Hodlers erworben.

Die deutsche Bauausstellung in Berlin, die kürz-
lich an dieser Stelle angeregt wurde, soll bereits im Jahre
1928 verwirklicht werden. Auf Einladung des Oberbürger-
meisters hat eine Besprechung von Vertretern der Bau- •
industrie und von Architekten stattgefunden, in der das
Projekt einer großen, das gesamte Gebiet der Bauwirtschaft
umfassenden Ausstellung auf dem Gelände am Kaiserdamm
erörtert wurde. Das Berliner Messeamt ist beauftragt wor-
den, den Plan weiterzuverfolgen und in Zusammenarbeit mit
dem bereits beim Ausstellungs- und Messeamt der deut-
schen Industrie bestehenden Ausschuß die Organisation vor-
zubereiten. Uns will es fraglich scheinen, ob das schöne
Projekt damit auf den richtigen Weg geleitet worden sei.

In Stuttgart hat man den Versuch einer produktiven Bau-
ausstellung unternommen, wie er hier vorgezeichnet wor-
den ist. Man will dort das Projekt einer großen städte-
baulichen Siedlung zuerst im Rahmen einer Ausstellung ver-
wirklichen, und man hat sich zu dem Zweck mit dem
Werkbund ins Einvernehmen gesetzt und hat einen fähigen
Architekten mit der Oberleitung beauftragt. Das ist ein Plan,
der Erfolg verspricht. Was dagegen von der Berliner Aus-
stellung verlautet, klingt allzusehr nach Interessenvertretung,
allzuwenig nach künstlerischen Ambitionen. Das gerade war
der Fehler der vorjährigen Pariser Kunstgewerbeausstellung,
von der wir lernen sollten. Auch in Paris führte die Indu-
strie das erste Wort, anstatt der Kunst. Die Berliner Bau-
ausstellung 1928 kann die große Gelegenheit werden, das
durch die Nichtbeteiligung Deutschlands im vergangenen
Jahre Versäumte wieder einzuholen. Daß diese Gelegenheit
nicht vertan werde, dafür werden nun die beteiligten künst-
lerischen Kreise, vor allem die jungen Architekten Deutsch-
lands, mit allem Nachdruck eintreten müssen. Daß Gefahr
im Verzuge ist, scheint uns aus der kürzlich veröffentlichten
Pressenotiz des Berliner Nachrichtenamtes hervorzugehen.
Täuschen wir uns, so wollen wir uns gern eines Besseren
belehren lassen. Aber wir wollen Namen hören, Namen,
die eine Gewähr dafür geben, daß die Durchführung des
Planes in die besten Hände gelegt wird.

Der angeblich gefälschte Frans Hals, um den Hof-
stede de Groot seit langem einen erbitterten Kampf führt,
hat neuerdings wieder von sich reden gemacht. Bekanntlich
hat Hofstede de Groot den Prozeß um das Bild auf Grund
des Gutachtens von drei Sachverständigen, die es für eine
Fälschung erklärten, verloren. Aber anstatt, wenn nicht die
Tatsache, so doch die Möglichkeit eines Irrtums zuzugeben,
hat Hofstede de Groot seinen Ruf als Kenner und Gelehrter
und sozusagen seine ganze künftige Existenz zum Einsatz
gemacht. Es wird davon gesprochen, daß er überhaupt kein
Gutachten mehr abgeben, und daß er seinen ganzen persön-
lichen Besitz dem Staat übereignen wolle, wenn er unrecht
haben sollte. Nun soll Hofstede de Groot sich darauf be-
rufen haben, daß Bode den Frans Hals, den er ihm an sei-
nem achtzigsten Geburtstage vorgelegt, als echt anerkannt
habe. Der „Telegraaf" hat sich darauf mit einer Anfrage
an Bode gewandt, der eine solche Äußerung energisch in
Abrede stellte, auch Friedländer und der Restaurator Hauser
hätten das Bild als Fälschung erkannt. Die Situation Hof-
stedes wird durch diese neue Wendung der Angelegenheit
nicht gerade erleichtert. Uns scheint aber, daß der Ruf
eines Gelehrten, der seine Kennerschaft in so hervorragender
Weise und so oft bereits erwiesen hat, durch einen einzigen
Irrtum nicht in Frage gestellt zu werden braucht. Was den
Fall so unheilvoll kompliziert, ist nur die immer gefährliche
Verquickung von wissenschaftlichen und händlerischen Inter-
essen. Denn nicht die Wissenschaft, wohl aber der Kunst-
handel fordert jene Unfehlbarkeit, die Hofstede de Groot
nun erschüttert sieht. Die Wissenschaft hat sich niemals
gescheut, Irrtümer einzugestehen und zu berichtigen, der
Handel aber braucht den Experten, dessen Spruch über echt
oder unecht, über Wert oder Unwert endgültig und eindeutig
entscheidet.

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