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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 12
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Herrmann, Wolfgang: Moderne Baukunst und Wohnkultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0503

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BAUHAUS, WEIMAR, WOHNZIMMER
IM VERSUCHSHAUS AM HORN

bleiben seine Anklagen gegen das Alte wirkungslos. „Es
gilt die geistige Verfassung dafür herzustellen", sagt Cor-
busier. Durch die moderne, fder (Maschine nachgebildete

Wohneinrichtung läßt sich diese Verfassung jedoch nicht
herstellen. Das Äußere eines Hauses mag nüchtern und
unschön gebildet sein oder einem konservativen Menschen
so erscheinen und er wird sich doch damit abrinden, in ihm
zu wohnen, genau wie wir ohne allzu heftiges Mißbehagen
hinter der Renaissancefassade eines Berliner Mietshauses
unsere Wohnung einrichten. Hinter dieser Fassade hört aber
die Toleranz auf, es gilt der persönliche Geschmack, Ex-
perimenten sind die Menschen hier unzugänglich. Erst muß
— relativ — Endgültiges geboten werden. Ein modern ein-
gerichtetes Zimmer wird ein Büro, ein Arbeitsraum, nie
aber ein Wohnraum werden. Was fehlt, ist das „Wohn-
liche"! „Ein Haus ist eine Maschine zum Wohnen", meint
Corbusier. Der Zweck einer Maschine ist erfüllt, wenn sie
die von ihr geforderte Arbeitsleistung erfüllt. An eine
Wohnung stelle ich aber nicht nur die eine Forderung,
praktisch zu sein wie ein Büroraum, sie muß auch festlich,
intim, ernst, heiter oder repräsentativ stimmen können. Diese
Möglichkeiten muß die Wohneinrichtung, Möbel und „Kunst-
gewerbe", in sich fassen. Solange es aber auf diesem Ge-
biete nur Versuchsobjekte gibt, werden sie sich nie durch-
setzen. Darum sind sie nicht zu verwerfen, vielleicht sind
diese Versuche auf dem richtigen Wege und die Forde-
rungen Corbusiers bleiben zu Recht bestehen. Nie werden
jedoch die nach ihnen angefertigten Möbel die geistige
Verfassung herstellen, sondern erst die wohnlich gewordene
Wohnung.

Auf künstlerischem Gebiete überzeugt auch der Versuch,
im Praktischen nur das Bessere. Die Wohnung steht
zwischen beiden und gerade deshalb ist es vielleicht so
schwer, einen Ausgleich zu schaffen. Aber es gilt heute
mehr denn je, ihn zu finden. Erst dann werden wir in einer
einheitlich geschlossenen Zeit leben.

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