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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 12
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0514

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Lichthof des ehemaligen Kunstgewerbemuseums stattfin-
den soll.

Heinrich Zille ist in Stuttgart wegen einer Zeichnung,
die im Simplicissimus erschienen war und von dem Ge-
richtshof für unsittlich befunden wurde, zu einer Strafe ver-
urteilt worden. Herr Dr. Weizsäcker, Professor an der Tech-
nischen Hochschule, trat als Sachverständiger auf, und gegen
das Gutachten von Liebermann, Slevogt, Stuck, Lederer,
Kubin, Hausenstein befand das Gericht gegen den angeklagten
Künstler und verfügte, die Platten seien unbrauchbar zu
machen. Also geschehen im achten Jahre der deutschenRepublik.

Von künstlerisch ausgestatteten Banknoten hat
man seit der Inflationszeit und dem traurigen Ende der blauen
Scheine Paul Thumanns, denen jedermann ein wehmütiges
Andenken bewahrt, nichts mehr gehört. Nun wird ein neues
Preisausschreiben angekündigt. 25000 Mark sind an Preisen
ausgesetzt. Im Oktober wird das Gericht zu befinden haben,
das aus zwei Mitgliedern des Reichsbankdirektoriums, dem
Direktor der Reichsdruckerei, dem Reichskunstwart und
einem freien Künstler bestehen soll. Nach den Erfahrungen,
die wir mit den Briefmarken gemacht haben, wagen wir
nicht, große Hoffnung auf diesen Wettbewerb zu bauen.

Zwischen den Juryfreien und den in der Großen Ber-
liner Kunstausstellung vereinigten Verbänden ist ein heftiger
Zeitungskrieg entbrannt, weil das Ministerium das Aus-
stellungshaus am Lehrter Bahnhof für das nächste Frühjahr
der „Juryfreien Kunstschau" überlassen hat und die „Große
Berliner" dadurch genötigt ist, den Beginn ihrer Ausstellung
weit in den Sommer zu verschieben. Uns erscheint die Ent-
scheidung des Ministeriums begrüßenswert, weil es ein Un-
recht war, die anregenden und gut organisierten Ausstel-
lungen, die Hermann Sandkuhl mit viel Geschick leitete, in
die Herbstmonate zu drängen, in denen ein Besuch des un-
wirtlichen Glaspalastes nur unter der Gefahr schwerer ge-
sundheitlicher Schädigung möglich war. Die Abkürzung der
Ausstellungszeit, die sich daraus für die in der „Großen Ber-
liner" zusammengeschlossenen Verbände ergibt, ist ganz ge-
wiß das kleinere von zwei Übeln, sofern man sie überhaupt
als ein Übel zu bezeichnen sich entschließen kann.

Genf. Mit einem höchst merkwürdigen und vielseitigen
Programm ist die Kunstkommission der unter der Ober-
hoheit des Völkerbundes tagenden Commission Internationale
de Cooperation intellectuelle an die Öffentlichkeit getreten:
Ein internationales Bureau der Museen soll errichtet werden,
es soll den geistigen Austausch vermitteln, soll aber darüber
hinaus auch den Austausch von Kunstwerken einleiten, ein
nicht nur sehr schwieriges, sondern auch ebenso problema-
tisches Unterfangen. Ferner wird eine Vereinheitlichung der
Jahrbücher angeregt, wofür der Grund nicht recht abzusehen
ist. Nützlich wäre wohl die weiter geplante internationale
Zeitschriftenschau. Warum als vierter Punkt die Errichtung
eines Museums primitiver Kunst auf dem Programm steht,
ist wieder nicht erfindlich. Ein Völkerbundkongreß für Volks-
kunst mit einer großen Ausstellung wird endlich geplant.
Sein Ziel soll die Wiederbelebung der Volkskunst sein, die
unseres Erachtens, wenn überhaupt, so am wenigsten auf
internationaler Basis zu erreichen sein dürfte.

Der Völkerbund hat ein großes Preisausschreiben für ein
„Haus der Nationen" erlassen. Es stehen nicht weniger als
165000 fr für Preise zur Verfügung. Die Baukosten werden
auf acht Millionen veranschlagt. Die Architekten von 56
Staaten, darunter auch Deutschland, sind zur Teilnahme auf-
gefordert. Dem Preisgericht gehören unter anderen Berlage,
Josef Hoffmann und Karl Moser an.

Der finanzielle Zusammenbruch der Wiener Werk-
stätten ist ein Warnungssignal für alle Kunstgewerbe-
treibenden auch über die Grenzen der österreichischen Re-
publik hinaus. Gewiß waren die besonderen Schwierig-
keiten des Unternehmens in der veränderten Wirtschaftslage
der einstigen Kaiserstadt begründet. Man hat in Paris sehr
deutlich sehen können, wie die Nachfolgestaaten der Mo-
narchie sich von dem einstigen geistigen und wirtschaftlichen
Zentrum unabhängig machen, und wie damit naturgemäß
das Absatzgebiet des Wiener Marktes auf das überdies wenig
kaufkräftige heutige Deutsch-Osterreich zusammenschrum-
pfen muß. Darüber hinaus bliebe der Export nach dem
Auslande, käme nicht dazu, daß die Lage des Kunstgewerbes
heute überhaupt kritisch geworden ist. Die Baukunst hat
die Führung innerhalb der Werkkünste übernommen, und
das neue Losungswort der Leistungserfüllung läßt wenig
Raum mehr für den Zierat, in dessen Erfindung und Durch-
bildung die Wiener Werkstätte Hervorragendes leistete. Das
Werk des jung verstorbenen Dagobert Peche bedeutete einen
Höhepunkt, aber auch ein Ende. Es ist gelungen, eine Eini-
gung mit den Gläubigern des Unternehmens zu erzielen.
Soll es aber gesunden, so wird zunächst eine gründliche Um-
stellung des Betriebes vonnöten sein.

Wien hat einen der kostbaren persischen Knüpf-
teppiche, die Zum alten kaiserlichen Kunstbesitz gehörten,
nun an das Ausland abgeben müssen, um dringend erfor-
derliche Kredite zu decken. Es handelt sich um einen gro-
ßen Jagdteppich mit purpurrotem Grunde und grüngrundiger
Bordüre, den Peter der Große dem Kaiser Leopold I. zum
Geschenk gemacht hatte. Der Teppich, der lange Zeit im
Schloß Schönbrunn gehangen hat, steht jetzt um den Preis
von 100000 Pfund in London zum Verkauf, und das Victoria-
und Albert-Museum bemüht sich darum, das kostbare Stück
Zu erwerben.

Seurats berühmtes Bild „Les Poseuses", eines der gro-
ßen Hauptwerke des Meisters, das sich lange in deutschem
Privatbesitz befand, ist durch die Galerie Hodebert in Paris
an die Barnes Foundation in Philadelphia verkauft worden.
Der Preis soll 50000 Dollar betragen haben.

Heinrich Tessenow ist eine Lehrstelle an der Tech-
nischen Hochschule in Charlottenburg übertragen worden.
Er siedelt im Herbst nach Berlin über.

Eine Architektenvereinigung „Der Ring" hat sich
in Berlin gebildet. Sie ist aus dem Zehner-Ring hervor-
gegangen und zählt zu ihren Mitgliedern die besten und
lebendigsten deutschen Architekten.

Eine Fassung von Böcklins Toteninsel ist vom New-
Yorker Metropolitan-Museum erworben worden.

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