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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 12
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Dresdner, Albert: Joakim Skovgaards Bilderbibel
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0520

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aber ist der Stil der Zeichnungen nur zu würdigen, wenn man
sich gegenwärtig hält, daß der Künstler von der Monumental-
malerei herkommt. Entscheidend ist dabei nicht, daß Skov-
gaard einzelne Motive der Viborger Malereien in den Zeich-
nungen wieder verwandt hat — wie Abraham, der mit seinem
Sohne Isaak zur Opferstätte emporschreitet, oder einige
Gruppen aus dem „Großen Abendmahle" —, sondern daß
alles wahrhaft groß gesehen und gegeben ist. Von manchen
der Blätter, wie Jesajas Schuldsühnung oder Jesu Versuchung,
geht eine starke räumlich-dekorative Wirkung aus, und viele
davon kann man sich ohne weiteres als Monumentalgemälde
ausgeführt denken, weil ihr geistiges Format und ihre stili-
stische Haltung darauf zugeschnitten sind.

Was aber würden am Ende gerade bei einer Aufgabe
wie dieser alle künstlerischen Vorzüge bedeuten, wäre nicht
die Voraussetzung eines innerlichen und wahrhaftigen Ver-
hältnisses des Künstlers zum Gegenstande erfüllt! Skov-
gaard ist die Bibel nicht eine Fundstätte für Bildstorre, son-
dern ein Lebensbuch, mit dem er groß geworden, mit dem
er aufs innigste vertraut ist und das er auf eine ihm eigen-
tümliche Weise in sein ganzes Denken und Fühlen aufge-
nommen hat. Das bekundet ebenso die von ihm getroffene
Wahl der Motive wie deren Behandlungsweise. Alles Dog-
matische ist ausgeschaltet, das Drohende und Schreckhafte
der biblischen Berichte ausgelöscht. Skovgaards Bibel ist ein
Buch von urmenschlichen Erlebnissen, von menschlichen
Urerlebnissen, von Liebe und Schwäche, von Opfermut und
Heldensinn, von wundersamen ehrwürdigen Begebenheiten
und großen Männern und schließlich von der Offenbarung
der Gottnatur im Menschen durch die Erscheinung Jesu.
Und er führt alle ihre Vorgänge und Gestalten auf ein ein-
fach und ursprünglich Menschliches zurück, also daß sie uns
herzlich vertraut und nahe werden und daß unendlich oft
behandelte Motive einen neuen Reiz, ja zuweilen ist man
versucht zu sagen: einen neuen Sinn erhalten. Er ist kein
Grübler, kein Zeichendeuter, kein Mystiker, sondern sieht
die biblischen Dinge in einem natürlichen, hellen, warmen
Lichte. Man fühlt, daß sie ihn beglücken, und etwas sehr

JOAKIM SKOVGAARD, VIGNETTE

Beglückendes geht von ihnen aus. Sein Christus, der von
der Höllenfahrt heimkehrend die Erlösten der Himmelspforte
zuführt (ein bereits im Viborger Chor behandeltes Motiv),
ist ein strahlender und triumphierender Liebender. Ein be-
zeichnender Zug ist, daß Skovgaard — wie auch in Viborg —
an der Motivengruppe, die sonst seit alters von der germa-
nischen Kunst besonders bevorzugt worden ist, an der Passion,
fast vorüberglcitet: von Gethsemane führt er alsbald zu einer
feierlich-ernsten Kreuzigung. Sein Lieblingsgebiet ist das der
Idylle in allen ihren Spielarten und hier hat er eine große
Reihe vorzüglicher Darstellungen geschaffen; um nur einige
davon anzuführen: die unschuldsvollen Paradiesszenen, die
patriarchalische Bewirtung der Engel durch Abraham, die
liebliche Rettung Ismaels, die Kindheit Jesu im Elternhause
(im Motive einem Gemälde von Millais verwandt), Jesus und
die Samaritanerin, Jesus bei Maria und Martha und die
prachtvolle Gruppe der Zeichnungen zu den Gleichnissen
vom Sämann, vom verlorenen Sohne, vom guten Hirten,
von den Arbeitern im Weinberge usw., in denen sich mensch-
liches Leben in ewig gleichen Urformen entfaltet. Wenn
er aber stärkere dramatische Akzente anschlägt, so weiß er
sich von Pathos wie von Sentimentalität gleich fern Zu
halten: der beim Anblicke seiner Tochter verzweifelnde
Jcphta, der unter seiner Sündenlast zusammengebrochene
David sind Gestalten von tiefer, schlichter Wahrhaftigkeit.

Und nun ist alles dieses von einem Meister der Er-
zählungskunst vorgetragen. Skovgaards Zeichnungen erfüllen
die Forderung, die die mittelalterliche Kirche an die Malerei
stellte: die Schrift denen zu künden, die des Lesens nicht
mächtig sind. Immer ist die Handlung klar und konzen-
triert aufgebaut, die Personen sind sinnvoll charakterisiert,
Bewegungen und Gebärden voller Ausdruck. Die Vorgänge
sind leicht und zuverlässig abzulesen. Nebenzüge sind nur
soweit angewandt, daß sie das Bild gefällig beleben und
inhaltlich und formal abrunden. Es gibt keine leere Stellen;
es gibt keine Zweideutigkeiten und keine Allegoristik. Alles
ist aus den natürlichen Erfahrungen des menschlichen Lebens
begreiflich, und eben hierin ist der echt volkstümliche
Charakter der Zeichnungen begründet.

Die Viborger Gemälde bekennen den Einfluß der ita-
lienischen Quattrocentisten, den Skovgaard übrigens im Ver-
laufe der Arbeit immer freier verarbeitet hat. In den Zeich-
nungen klingt dieser Einfluß nur noch hier und da wie ein
feiner Ton nach, und wenn Salomo und die Königin von Saba
in einem prächtigen Renaissancepalaste gezeigt werden, so
wirkt das fast wie ein anmutiges Zitat. Vielleicht macht
sich gelegentlich eine gewisse Gesinnungsverwandtschaft mit
den englischen PrärafFaeliten fühlbar, am ehesten mit Wil-
liam Dyce, der ein Vorgänger dieser Gruppe war und sich
selbst an Overbeck geschult hatte. Einige Federzeichnungen,
wie Abels Ermordung, Jakobs Ringen mit dem Engel, die
Verkündigung an die Hirten und Jesus im Tempel, lassen
an Rembrandt denken, und diese Beziehung weist ja insofern
auf eine geistige Gemeinschaft, als auch der große Holländer
die heiligen Geschichten entschlossen von der menschlichen
Seite aufgefaßt und dargestellt hat. Im ganzen aber steht
die Sache so, daß Skovgaard sich seine eigene Form aus-
gebildet hat. Sie ist voll von Tradition, aber von einer
Tradition, die in den Blutumlauf einer künstlerischen Per-

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