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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 15.1880

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Vermischte Nachrichten.

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hat einen hohen, von einem reichen Bronzerahmen einge-
faßten Ofenschirm mit einem Stillleben dekorirt, ivelches
sie „Aus dem Harem" nennt. Ans einem mit Perlmutter
inkrustirten Tische steht eine polirts kupferne Kanne und ein
Kessel aus demselben Metall. Daneben liegt ein weißes,
goldgesticktes Gewand, ein reich ornamentirter Dolch, und
auf dem Kessel sitzt ein großer Ara, dessen blaues und gelbes
Gefieder mit dem dominirenden Kupferroth einen prächtigen
Farbenakkord abgiebt. Die malerische Technik der Dame ist
von erstaunlicher Bravour, der Farbenauftrag breit und
energisch. Jn der Wiedergabe des metallischen Glanzes er-
reicht sie fast den Franzosen Vollon, der wohl das Höchste
bezeichnet, was in dieser Art von Jmitation geleistes wor-
ben ist. Von denBerliner Künstlerinnen hat Klara Lobedan
das Bedeutendste auf dem Gebiete des Stilllebens geliefert,
schon dadurch, daß sie durch eine originelle Komposition von
der breiten Heerstraße abgewichen ist. Um eine in eine Mauer
eingelassene Brunnenschaale, über der sich eine steinerne
Maske erhebt, ist ein Kranz von Weintrauben und üppigem
Weinlaub arrangirt. Auch diese Dame hat sich bereits zu
einer anerkeniiensiverthen Freiheit und Breite in der male-
rischen Behandlung emporgeschwungen. Frau Begas-
Parmentier, die ausgezeichnete Landschaftsmalerin, welche
vurch eine ihrer fiimmungsvollen, tief melancholischen Land-
schaften süditalienischen Charakters vertreten ist, gehört nur
ourch ihren Wohnsitz Berlin an. Jhre künstlerische Aus-
bildung hat sie in Wien erhalten. — Jn zweiter Linie sind
Klara Oemicke als Porträtmalerin, Marie v. Keudell und
Lina v. Perbandt als Landschaftsmalerinnen und Marie
Remp und Helene v. Fischer als Blumenmalerinnen mit
Auszeichnung zu nennen. — Ein Zimmer der Ausstellung
>st mit Landschaften und Studienblättern der jüngst verstor-
benen Antonie Biel gefüllt, die sich vornehmlich durch Ma-
Nnen von der Ostseeküste einen Nanien gemacht hat. Jhr
Ichlichtes Talent tritt in den von tieser, wahrer Empfindung
zeugenden Naturstudien am unmittelbarsten zu Tage. —
Mit dem Vereine ist auch eine Zeichenschule verbunden, deren
^hätigkeit durch cine große Anzahl von Blättern nach den
"blichen Kreidezeichnungen, nach stereometrischen Körpern,
Nach Gppsbüsten und nach dem lebenden Modell veran-
Ichaulicht wird. Die Landschaftsklasse, welche unter der Lei-
tnng des trefflichen Professor Karl Scherres steht, hat die
vrfreulichsten Resultate aufzuweisen.

Kuiistgcwcrbcniiistuni in Bcrlin. Nebsn der an dieser
^telle bereits erwähnten stattlichen japanischen Sammlung
oes Herrn von Gutschmidt ladet jetzt noch eine zweite, in
orster Linie für die Frauenwelt interessante Ausstellung zur
ttesichtigung ein. Sie umfaßt eine ansehnliche Auswahl der
tzediegensten weiblichenHandarbeiten aus dem vonFrau
ttr. Äaria Meyer zu Hamburg geleiteten Atelier sür
Kunststickerei rc. und rechtfertigt iii vollem Maaße die rühm-
"chs Anerkennung, die don Leistungen desselben bereits
hnderwärts zu Theil geworden ist. Vor allem sind es die
"> der rcichsten Mannigfaltigkeit vorhandenen, meist über-
baschend efsektvollen Leincnstickcreien, die um der Schönheit
einzelnen Muster wie um der durchgängig meisterlichen
Ausführung willcn als geradezu unübertrest'lich bezeichnet
werden müssen. Abcr auch die minder zahlreichen Proben
"erschiedener andercr Arten der Kunststickerei, neben denen
leriier noch alS zierliche Beispiele einer neuerdings mehrfach
hon Frauenhand ausgeübten Kunstsertigkeit einige geschickt
»> Zinn geätzte und zum Theil verkupferte Teller zu be-
werken sind, tragen dasselbe erfreuliche Gepräge stilvoller
-valtung und vornehmer Solidität und sind in ihrer ge-
Ichniackvollen Erscheinung ganz dazu angethan, sowohl den
^esucherinnen der AuSstellung dankenswerthe Anregungen
K> gewähren, als dem genannten Jnstitut auch aus den
»reisen des Berliner Publikums neue Freunde zuzuführen.

Vermischte Nachrichten.

^ Jllustratioiicn zu Shakcspcarc's Winterinärchcn. Das
Drania des großen englischen Dichters hat einen neuen glück-
»chen Jllustrator gefiinden in Leopold Bode, welcher auf
^estellung des Herrn Julius Beer in London für dessen
-nrivathaus einen Cpklus von Aquarellen zu der Dichtung
>»alte. Die Blätter waren kürzlich im Darmstädter Museum
ansgestellt und erfreuten stch beim Publikum wie bei der

Kritik sehr beifälliger Aufnahme. Ein Berichterstatter im
Darmstüdter Tageblatt (Heinrich Becker) macht über das
Verhältniß der Bilder zu Shakespeare's Drama folgende
Bemerkungen: „Shakespeare's „Wintermärchen" ist das
einzige von den älteren klassischen Stücken, bei denen der
Autor sich erlaubt hat, die Grenze, welche die Aesthetik
zwischen Roman und Drama gezogen hat, zu überspringen.
Jm Roman können ivir, weil wir die Personen nicht leib-
haft vor uns sehen, der Erzählung des Dichters folgen und
einen Menschen allmttlig vor uns wachsen, das Kind zum
Mann reifen, den Greis noch von uns scheiden sehen. Das
können wir im Drama nicht, weil der Mensch, wie er im
ersten Akt uns vorgeführt wird, eine Stunde später nicht
als ein gänzlich anderer erscheinen kann, ohne uns die ganzen
Begriffe von Wirklichkeit zu zerstören. Cin Kind im 3. Akt
auf die Bühne bringen und im 4. Akt als Jungfrau ver-
wandeln sehen, daS geht so sehr gegen unsere natürliche
Anschauung, daß uns kein Hülfsmittel, auch wenn die „Zeit"
in einem Chorgesang uns darüber hinweg tragen will, den
Widerspruch löst. — Shakespeare versucht nun das Un-
mögliche; er hat auch den Spalt überbrückt, aber nicht durch
den eingeschobenen Epilog zum 3. Akt, sondern durch die
Handlung. Er läßt im 3. Akt so ungeheure Dinge vor
unseren Augen geschehen, — den Prinzen sterben, die Kö-
nigin todt bahin sinken, den König, in Reue zerknirscht,
ewige Buße geloben, — daß wir fühlen, solche Konflikte
können nicht in dem Rahmen dsr zwei letzten Akte auf ge-
wöhnliche Art gelöst werden. Er bringt deshalb im 4. Äkt
eine ganz neue Geschichte von ganz neuen Personen, die wir
nur einmal flüchlig vorher sahen, als gehörten sie kaum
zum Stück. Aus der Königsburg von Palermo bringt er
uns in die böhmischen Wälder zu dem simplen Fest einer
Schasschur. Mit Schnurren und derben Späßen bringt er
die Schäferknechte herein, um uns zu zeigen, wie wenig
zu dem Menschenglück gehört, wenn die Menschen nur ge-
nügsam sind. Daraus läßt er die zarte Blume Perdita
emporwachsen, die mit feinerem Sinne sich aus dem rohen
Leben erhebt und dem Besitzer aller Reichthümer, dem Kö-
nigssohn Florizel, ein Glück zeigt, was er in seiner Burg
nicht zu sinden vermag. Jndem er dann den Ahnenstolz
des Vaters erweckt und das Glück der Liebenden zu zer-
stören droht, führt er uns zu dem Punkte, an dem wir
glauben: nur ein außergewöhnliches Ereigniß vermag diese
Gegensätze zu lösen. Somit bringt er daS fliehende Paar
und den verfolgenden Vater nach Sicilien und läßt hier
durch Wiederfinden des verloren geglaubten Königskindes
und Wiedererwachen der todt geglaubten Königin den Ahnen-
stolz besiegen und den büßenden König Leontes wieder Ruhe
und Frieden ffnden. — Shakespeare hat hiermit das
Unfaßliche faßbar gemacht: er hat ans Ungeheure uns ge-
wöhnt und damit die Phantasie für die Äusgleichung an-
scheinender Gegensätze empsänglich gemacht. Er selber hat
diesen Künstgriff nur cinmat in seinem Leben gebraucht,
nie wieder, weil man selbst mit der menschlichen Phantasie
nicht scherzen soll. Trotz alledem würde sein Drama unlogisch
erscheinen, wenn cin Maler gerade so die Scenen nialen
wollte, wie Shakespeare sie folgen läßt. Der Maler kann
keinen Chorus „Zeit" einschieben und nicht durch Neben-
geschichten die Hauptgeschichte erklären; er muß, will er
eine Bilderreihe durch sich selber erklären, die Hauptfiguren
vom Anfang zum Ende durchlaufen lassen und durch die
Aehnlichkeit der Personen und Verwandtschaft der Handlung
dem Beschauer die Bilder begreiflich machen. Jckfferinner'e
hier nur an die Bilder aus der Leidens-Geschichte Christi,
an die s. g. Stationen, die so oft von Malern und Bildnern
zum Vorwurf genommen wurden, weil sie hier durch Kennt-
lichkeit dsr Hauptperson und die sich natürlich entwickelnde
Handlung zu dem Beschauer verständlich sprechen konnten.
Jn diesem Sinne hat Bode die Bilder gemalt. Er stellt
die fünf Akte in sieben Scenen dar. Jii den vier ersten
zeigt er den Abschied des Polyxenes von Hermione und
Leontes, die Verstoßung der Hermione, die Präsentation des
neu geborenen Kindes, den Tod der Mutter und die Reue
des zur Erkenntniß kommenden Leontes. Jn den drei fol-
genden bringt er die Auffindung des Kindes, die Wieder-
Erwachung der Mutter und die Vereinigung von Mutter
und Tochter mit der Aussöhnung der getrennten Gatten.
Hier ist der Zwiespalt von Zeit und Handlung auf einfache
 
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