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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 15.1880

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Die Sommerausstellung in der Royal Academy in London, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5804#0345

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677

Die Sommerausstellung in der Royal Academy in London.

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Vorhang hinwegzieht. Hier erscheint in ziemlicher
Entfernung eine festliche Versammlung. Es ist die
Hvchzeitfeicr des Frankenkönigs Chilperich I., welcher
im Walde an einem Altar seine Hochzeit mit Gales-
wintha, jener westgothischen arianischen Prinzessin feiert,
der eben Fredegonde, des Königs erste Gemahlin,
wcil von nicht fürstlicher Abstammung, hatte weichen
müssen. Die Komposition ist derart, daß alles Jnteresse
des Beschauers in der letztgenannten Gestalt sich kon-
centrirt. Wic die Erfindung, so ist nuch die Ausfüh-
rung in fest gezeichnetcn Formen und in ciner Fttr-
bung von ungewöhnlicher Leuchtkraft über alles Lob
erhaben. Ein zweites bedeutendes Gemttlde von der-
selbcn Hand ist das Frühlingsfest (Nr. 176). Jm
Vordergrunde bewegt sich aus eincr Straße ein Zug
Bacchanten, jenseits derselben breitet sich ein viel tiefer
liegendcr Wicscngrund ans, der durch Flötenbläser und
Tttnzerinncn belebt ist, wtthrcnd im Hintergrunde ein
antiker Villenbau im Schatten von Cypressen sich be-
merklich macht. Nebcn der komplicirten perspektivischen
Konstruktion sind hier besonders die feinen Abstufungen
in dcr Luftperspektive von eigenartiger Wirkung.
Tadema malt selten ein Gemalde, ohne dabei neuen
perspektivischen Problemen einen weiten Spielraum zu
geben. Gegenwttrtig beschttftigen ihn Entwürfe zu alt-
römischen Scenerien sür eins der ersten Theater Lon-
dons, welche in ihrer genialen Anlage nicht verfehlen
können, bei den sür kommenden Winter projektirten
Aufführungen allgemcines Aufsehen zu erregen.

Für das bedeutendste historische Gemttlde der dies-
jtthrigen Ausstellnng in der Royal Acadeniy gilt fast
allgemein dic nnifangreichc Komposition „On bonrä
11. L1. 8. Lollsroi.bon, lich' 23, 1815" (Nr. 262)
vvn W. Q. Orchardson, II. Dic Roval Aca-
demy hat sich bewogen gefühlt, dieses Bild neben dem
oben beschriebencn von Poyntcr selbst anzukaufen, nnd
beidc wcrden voraussichtlich bald im South Kensington
Mnseum dauernd znr Ausstellung gelangen. Das die
bewegte See durchstrcichende Kricgsschiff niniint nicht
gauz die vvlle Breite des Vordergrundes ein. Napo-
leon I. stcht isolirt in der stereotypen Tracht ans dem
Vordcrdeck, Frankreichs Küsten einen Blick des Ab-
schieds zuwerfend. Seine Begleiter, englische nnd fran-
zvsischc Gcncralc, verlvcilcn nnbedeckten Hanptes weitcr
zurück. Diesen Gestaltcn ist von der Kritik vorge-
worfen wvrden, daß ihrc Bcinstellungen dem hohen
Secgang so wenig angemessen seien, daß sie in Wirk-
lichkcit angenblicklich wie Kegel durcheinander sallen
»lüßtcn. Dic Erscheinnng Napoleon's ist nicht sowohl
bie eines tragischen Herven, als viclmehr — so wenig-
stens will es uns scheinen — cines sauertöpfigen tri-
vialen Starrkopfes. Es darf indeß nicht vergesten
werden, daß Napoleon in der englischen Politik eine

ganz andere Rolle gespielt hat als in der Staaten-
geschichte des Kontinents, und man darf vielleicht an-
nehmen, daß die Satire, mit der cnglische Schrift-
steller den Ilsurpator angriffen, dazu beigetragen habe,
eine besondere Species des Bonapartetypus in England
popnlttr zu niachen. Unter den Scenen, welche dic
englische Gcschichte vcrgangener Zeiten schildern, ist
die ergreifendste „Die letzten Tage Eduard's VI."
(Nr. 490) von A. C. Gow. Das Sujet ist cinem
GesandtschaftSbericht an Karl V. entnommen, worin
es heißt, der jugendliche König sei in Greenwich an
eineni Fenster dem Volke gezeigt worden, um dem Gc-
rücht seines bereits crfolgten Todes entgegenzutreten,
doch habe sein Aussehen den Glauben an den bereits
erfolgten Tod im Volke bekrttftigt. Das Bild zeigt
die Scene am Fenster Vvn der Jnncnscite des Gemachs
aus, wo mehrere Hofleute den leichenhaften Jüngling
in einen Sessel niederlassen. In der That, ohnc
Kenntniß des Gesandtschastsberichtes würde schwerlich
cin Betrachter des Bildes die Hauptperson in dem-
selben für noch lebend halten, da der Künstler hier
nicht die leiseste eigene Bewegungsftthigkeit zu ahnen
giebt. Unter der verschwindend geringen Zahl von
Schlachtenbildern ist das bedeutendste die Kavalerie-
attacke von Blenheim vom 13. August 1704 (Nr. 453),
mit dem Herzog von Marlborough ini Vordergrunde, von
R. C. Woodvillc. Die Komposition ist lebendig
nnd zeigt viel Geschick, doch liegt der Effekt mehr noch
in den feinen Tönen des harmonischen Kolorits: Bor-
züge, welche in geringerem Grade der vcrwandten
Darstcllnng von Ernest Crofts, II. V., zukommen
(Nr. 459), worin „Malborvugh nach dcr Schlacht von
Ramilies" dargestellt ist.

Daß kein englischer Maler sich bewogen gefühll
hat, cine Episode ans dem ruhmlosen Zulnkriege zuni
Vorwnrf zn wtthlen, kann schwcrlich befremdcn, ob-
schon es selbst in London ein Leichtes gewcsen wttre,
dafür Studien zu machen, da im Agnarium bci West-
minster seit gercinmer Zcit frenndliche nnd fcindlichc
Znlu's, ja selbst König Ceteywajo's cigenc Töchter
tttglich für ganz mttßiges Entrce zur Schan gestellt
werden. Dagegen hat ein Maler von nicht wenig
Talent, W. C. Horsley, dcn nicht gerade unglücklich
zu uennenden Gedanken gehabt, einc Scene ans dem
Kriege von Afganistan nns vorzuführen: Nr. 398,
„Einc barmherzige Schwester auf dem Wege nach
Kabul 1879". Jm Hintergrunde bcwegt sich einc
Heereskolonnc dnrch cincn Engpaß, lvtthrend im Vor-
dergrunde zwei Töchter des Landes mit großen Wasser-
kübeln an einem dnrstigen Sohne Albion's den Dienst
der barmherzigen Schwestern thun.

(Schluß folgt.)
 
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