Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

DOI Artikel:
Verschiedenes
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0026

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
39

Vermischte Nachrichten.

40

die ursprünglich viereckige Tafel oben halbkreisförmig abge-
rnndet und dnS Cartello von ihrein »nteren Ende weggesägt
»nd auf der Rückseite befcstigt. — Endlich sind noch dic beiden
Anschaffungen auS der Galerie zu Blcnheim anzuführen:
Raffaels „Madonna Ansidei" und Van Dycks „Reitcr-
bildnis König Karls I." Über jene sei nur bemerkt, daß sie
nach der Untersuchung G. Scharffs, des Direktors der natio-
nalen Porträtgalerie, das Datum 15U7 und nicht, wie bisher
angenommen, 1505 trägt, und daß sich Entivürfe dazu im
Städelschen Museum und im Louvre (mit der Sammlung
Timbal erworben) finden, sowie daß sich eine der drei dazu
gehörigeu Predellenscenen, „Die Predigt Johannis d. T."
darstellend, im Besitz des Marguis of Lansdowne befindet,
während die beidcn anderen zur Zeit der Übertragung des
Bildes nach England (1704) in Jtalien blieben und seither
verschollen sind. — Dan Dycks Reiterbildnis war ursprüng-
lich für Karl 1. gemalt und wurde unter Cromwell für
I5U Psd. verkaust. Der Herzog von Marlborough erwarb
eS sür seine Galcrie in München. Jni Britischen Museum
findet sich eine Skizze für die Baumgruppe im Hintergrunde
deS Gemäldes. Dieses zeigt dcn König auf braunem Pserde,
das iiu Profil nach links sprengt, in voller Rüstung, wäh-
rend sein Stallmeister zu Fuße solgt, den Helm des Königs
tragend. Das Bild ist ein Meisterwerk der Portrütkunst,
eines der glünzendsten Beispicle sür Van Tycks Könncn aus
seiner höchsten Stuse. Obwohl oft vervielsältigt, giebt doch
kein Stich seine Vorzüge auch nur annähernd wieder.

b'x. Das bavcrischc Rationnlmuscum ist jüngst durch ein
interessantes Kunstwerk bereichert worden. Es ist dies ein
durchaus auS Solnhofer Stein gearbeiteter Altar aus
Morizbrunn bei Eichstädt, der, wie dies seine Ausschrist
bckundet, 1518 vom Bischof Moriz vou Hutten gestiftet wurde
und 2,50 ni hoch und l,80 m breit ist. Zn dem Giebelfelde
des Altars schen wir dcn Patron des Stistcrs, den heiligen
Mauritius, den Führer der thebaischcn Legion, in voller
Rüftung mit Schild und Banncr. DaS darunter befindliche
Mittelfeld enthält in plastischer Darstellung die Dreifaltigkeit,
in freier Benutzung nach dem betresfenden Blatte Dürers aus
der großen Passion. Jn den Seitennischen rechts und links
davon stehen Figuren der Mater dolorosa und des Evangs-
listen Johannes, darunter die Wappenschilde deS Bistums
Eichstädt und des Bischofs Moriz v. Hutten. Was die Zeich-
nung und die ganze geistige Anlage des Figürlichen anbe-
langt, so erinnern beide lebhaft an die künstlerische Art der
Werke Albrecht Dürers, während die plastische Aussührung
an die Bronzewerke Peter VischerS gemahnt JedenfallS ist
dieser wundervolle Steinaltar ein herrliches Pendant zu dem
vor cin paar Monaten sür das Rationalmuseum erworbencn
„Heil. Gcorg mit dem Drachen", aus dem Kreuzgange deü
Domes in Eichstädt und auch aus dem 1«. Jahrhundert
stammend. Beide Werke haben nun in der Vorhalle des
Museums, in der Rähe von einander, ihre definitive Nuf-
stellung erhalten.

I>. <>. 21. Kulturhistoiischc Ausstclluiig in Stcyr. Eine
interessante kulturhistorischc Nusstellung ist wührend der
Monate August und Septcmber in Steyr im Ilnschluß an
cine dort stattfindende clektrische Ausstellung veranstaltet
worden. Erstere wurde durch die Bemühungen und das
tzroßs Geschick der Herrcn Ritzingcr, Fachvorstand an der
Fachschule für Eiseniiidustrie in Steyr, und Or. Widdmatin,
Professor an der dortigen Oberrealschule, zusammengebracht
und enthielt eine große Zahl von Gemälden, Möbeln, Eisen-
arbeiten, kirchlichem und prosanem Schmuck, Gewändern und
Gerätschasten aller Art, ivelche aber sämtlich nur dem öffeut-
lichen und privaten Besitze der Stadt selbst, der umliegenden
Ortschastsn und der nahen Kirchen und Klöster ciitstamiiiten.
Dadurch erhielt die Llusstcllung ihren völlig eigcnartigen
Charakter, indem sie gleichsam den Kunstsleiß und Kunstbe-
sitz einer Stadt mit umliegendem Bezirk vom Ausgange des
Mittelalters bis zum Versall der Kunstindustrie repräsentirte.
Am intereffantesten und zugleich am meisten einheitlich war
die Zusammeiistellung der auf das alte Zunftwesen dsr
Stadt bezüglichen Gegenstände, Nrkunden, Truhen, Becher
u. s. w., welche sich noch jetzt im Besitz der einzelnen Zünfts
befinden. Nsben den ausgestellten, für die Jndustrie der
Stadt bezeichnenden Eßgeräten und einer Sammlung von
Kostümeii fesselten ferner unter den gut zusainmengefiellten
Jnterieurs namentlich zwei Bauernstuben mit bunt bemalten

Möbeln die Aufinerksamkeit, von denen die älteren »üt geo-
metrischer Dekoration geradezu als nrustergültig zu bezeich-
nen sind.

I-. O. Paris, Gipsinuscum im Palast des Trocadüro.
Das noch wenig bekannte Museum der Gipsabgüsse ivird in
kurzeni durch drei neue Säle, vergrößert und die ganze links-
seitige Galerie des Trocadöropalastes zu diesem Museum ein-
gerichtet wsrden. Dasselbe enthält die hervorragendsten Werke
der Skulptur und Architektur Frankreichs in Reproduktionen,
welche erst in neuester Zeit angefertigt sind, aber durch die
vervollkommnete Methode ihrer Herstellung den Gips durch-
aus im Farbcnton der alten Dcnkmäler erscheinen lassen.
Zu den wichtigsten neuausgestellten Gegenständen gehören
das Portal der Kathedralc won Bordeaur, welches das im
Aufbau begriffene Portal der Kathedrale von Rouen zum
Gegenstück erhalten wird, ein Grabüenkmal auS der Kirche
St. Just in Olarbonne, und ein Ehorstuhl aus der Kapelle
des alten Schlosses Gaillon, dessen Original sich jetzt in der
Basilika zu St. Denis befindet. Die später zu erösfnendcn,
gegenwärtig noch nicht zugänglichen Säle werden vorzugs-
iveise Abgüsse aus dem mittteren und südlichen Frankreich
enthalten, aus deren ungeordneter Menge sich nur, inmitten
des einen Saales, zwei scrtig ausgestellte Brunnen nach Ori-
ginalen in Blois und Caen erheben.

I,. .4. London. Britischcs Musclim. Bei ciner Ncu-
ordnung in den Räumen des Britischen Museums sind
hervorragende Arbeiten des Mittelalters und späterer Perio-
den, welche früher gctrennt waren, zum erstenmale gemcin-
sam aufgeftellt worden. Die Saminlung enthält Waffen,
Rüstungen, Metallarbeitcn, Elfenbeinschnitzereien, Emaillen,

! Uhren, einige interessante Kirchengeräte aus Jrland und
einige historische Reliquien. Zhr interessantester Teil sind
die Limoges-Emaillen und die orientalischen Metallarbeiten.
Erstere sind nicht zahlreich, aber in schönen Exemplaren vor-
j handen, darunter viele bezeichnete und datirte Stücke; von
letztcren besitzt das Museum eine bedcutende Anzahl, als
ältefieS Stück eine Kanne aus dem Jahre >232.

Vermischte Nachrichten.

Aus dcn Wicncr Atclicrs. Bei Professor Tilgner
! herrscht eine lebhafte Thätigkeit, die einer ganzen Reihe neuer
bedeutsnder Schöpfungen gewidmet ist. Kaum hat der Mei-
ster die reizende Brunneiigruppe für die kaiserliche Villa bei
Lains vollendet, ist er schon wieder mit monumentalen Auf-
trägen der verschiedensten Art beschüftigt. Die erwähnte
Gruppe stellt eine Quellnymphe dar, die ungezwuiigen, leicht
bekleidet, im Freien ruht. Zutraulich nähert sich ihr ein
Reh, de»i sie aus einer Muschel zu trinken giebt. Zunächst
dem Beschauer lehnt sich ein nackter Kleincr bequem auf
einen Krug und blickt gemächlich auf das herablaufende
Wasser. Der Zlufbau des Ganzen, welcher auffallend niedrig ist,
zeigt in den meisten Ansichten schöne Linien.Die Waldes-
ruhe ist in dem Werke trefflich vcrkörpert. llber die neueii
Aufträge, die Tilgner gegenivärtig ausführt, ist zu berichten,
daß er von fünf fiberlebensgroßen Künstlerstatuen für den
Schmuck eines neuen MuseumS in Savannah (Georgia in
den Vereinigten Staatens bereits das Thonmodell der Rem-
brandtfigur so gut wie vollendet und den Naffael be-
gonnen hat. Ein Phidias, ein Rubens und Michelangelo
iverden die Reihe vollfiändig machen. Außer den genannten
Figuren hat Tilgner sechs Atlnnten, drei Karyatiden und
zwei allegorische Figuren fiir das neue große Schwarzen-
bergsche Haus in der Heugasse modellirt. Sie nähern sich
der Vollendung. Auch die Porträtplastik wird noch immer
vom Meister gepslegt. Ilnter seinen letzten Leistungen auf
diesem Gebiete ist eine durch tressliche Charakteristik auf-
fallende, nach dem Leben modellirte Büste des greissn Fr.
Liszt besonders gelungen. Die Thätigkeit Tilgners sür den
plastischen Schmuck des neuen Hosmuseums, für die Natura-
liensammlungen, haben ivir zu Bcginn des Jahres in der
Kunstchronik erwähnt. Von den Karyatiden für das genannte
Gebäude sind bereits zivanzig abgeliefert. An zwei neuen,
gleichfalls ethnographische Typen darstellenden Karyatiden
wird eben gearbeitet. Sie stellen Altperuaner vor und sind
im Thonmodell fast fertig. — Emanuel Pendl, der in
den letzten Jahren vielfach an der Ausführung des Statuen-
 
Annotationen