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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Der Verfall der Calcografia Regia in Rom
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0044

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Der Verfall der Calcografia Regia in Rom.

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ausbleibcn, ist uatürlich. Die Arbeiten werden be-
krittelt, kvrrigirt nnd schtießlich zuriickgewiesen, nach-
dem man Zeit nnd Geld zum Fenster hinauswarf und
nnnützcrweise in ihrer Richtung tüchtige Meister de-
mütigte, weil man sie gegcn ihren Willen zu Arbeiten
zwang, welche ihren Fähigkeiten nicht entsprachen.
Aber dies ist nicht der einzige Fluch der Kollegial-
leitung des großen Kunstinstituts. Was heute der
eine im Direktionsrat herrlich sindet, wird morgen,
wenn andere Mitglieder an den Versammlungen teil-
nehmen, für elend nnd kläglich erklärt. Chikanen fol-
gen dann anf Chikanen, in denen Kunst und Künstler
zn Grunde gehen. Kurz, die italicnische Regierung
hat falschc Pfade betreten; und schafft sie nicht rafch
Abhilfe, sv wird Rom bald nur noch von dem Ruhme
seiner früheren Kupferstechcr zehren kvnnen, zumal die
von dcn Päpsten in dem großen Hospiz von San
Michelc gegründete Knpferstechschnle, aus der die be-
deutcndsten Künstler der „OalooAraün eameralo" —
nnter anderen ihr letzter Direktor, der verstorbene Mer-
curi — hervorgingen, ebenfalls in vollen Verfall ge-
raten ist.

Wer vorurteilsfrei ist, wird daher gern zugeben,
daß die Angelegenheiten dcr Kunst von den Päpsten
mit inehr Geschick und mit mehr Glück gepflegt wur-
den, als es jetzt von der italienischen Regierung ge-
schieht. Ein Blick auf den wertvollen, reichhaltigen
Katalog der Calcografia, dessen letzte Ausgabe 1881
erschien, genügt dazu. Was Jtalien in dem Jnstitut
nach 1870 schuf, ist kaum nennenswert im Vergleiche
zu den 2000 Platten, welche derselbe aufweist. Alle
hervorragenden Werke der italienischen Malerei und
viele der Plastik sind darin verzeichnet. Nicht allein
alle namhaften Kupferstecher, welche während der letz-
ten 150 Jahre den Ruhm der italienischen Schule
begründeten und hochhielten, glänzen darin mit aus-
gezeichneten Leistungen, sondern auch die Werke früherer
Meister, wie z. B. jene des Marcantonio Raimondi,
Salvatvr Rosa, Ribera, Aquila, Caracci, Piranesi,
Tempesta, Porporati rc. rc., deren Platten schon zur
Stiftungszeit der Anstalt in ihren Besitz gelangt, kom-
men in ihm vor. Werfen wir einen kurzen RLckblick
auf die Geschichte der Calcografia Camerale!

Dieselbe wurde von einem Fürsten Corsini, wel-
cher als Clemens XII. auf dem Stuhle Petri saß,
im Jahre 1738 dadurch gestiftet, daß er den Erben
des Kupferstechers Giacomo de' Rossi verbot, ihre
Druckerei und Vorräte nach dem Auslande zu ver-
kausen. Der Papst erwarb beide für 45 000 Scudi
und bestimmte jährlich 5000 Scudi für neuc Arbeiten.
Die alten Platten und Bvrräte umfaßten alles, was
bis dahin in Rom an tüchtigen Stichen existirte. Die
Anstalt, welche sich ursprünglich in der Nähe der

Piazza Navona bei der Kirchc vvn Sta. Maria della
Pace befand, erhiclt vvm Papste sofort eine große An-
zahl von Privilegien. Sie wurde für alle Zeiten
für steuerfrei erklärt, sie wurde gegen Hypotheken und
Fideikonimisse geschützt. Die Leitung wnrde einer ein-
zigen Hand anvertraut, zum ersten Male im Jahre
1738 dem Maler Campiglei, dem andere tüchtige
Direktoren solgten.

Von dem ursprünglichen Sitze bei dcr Kirche von
Sta. Maria della Pace wanderte die Calcvgrafia ver-
schiedene Male in neue Rcsidenzen, bis ihr in unsercm
Jahrhundert Gregor XVI. durch den Architekten Vala-
dier den Palast bauen ließ, in welchem sie sich heute
noch in der Nähe der Fontana di Trevi befindct.

Übrigens stand das Jnstitut auch unter den Päpsten
nicht immer auf gleicher Hvhe. Nach der Blütezcit
der Volpato, Biorghen u. a. wurden gcgen Ende des
Jahrhunderts (1798) eine Menge Platten vernichtet,
um Kupfermünzen daraus zu prägen. Die berühmte
Porträtsammlnng, welche unter dem Namen Orono-
loZis, äei Onrclinali bekannt ist, ging dabei zu Grunde.
Noch barbarischer verfuhr der 1823 auf den Thron
gestiegene Leo XII. Alle für halb obscön geltenden
Platten wurden erbarmungslos vernichtet, darunter die
Dorigny'schen Stiche nach den berllhmten Raffael'schen
Bildern in der Farnesina. Auch viele Stiche nach Ca-
nova entgingen diesem Schicksale nicht.

Pius IX. suchte dagegen gleich im Beginne seiner
Herrschaft die Calcografia wieder zur Blllte zu bringen.
Wie wir schon oben bemerkt, wurde Paolo Mercuri,
ein geborener Römer und Zögling des Hospizes vou
S. Michele, von ihm schon 1847 ans Paris, wo er
durch seinen Stich von Leopold Roberts Bild: „Die
neapolitanischen Schnilter" bald berühmt geworden war,
nach Rom berufen und an die Spitze der Anstalt gestellt.
Leider aber konnte seine Thätigkeit nur eine beschränkte
sein, weil ihn schon nach wenigen Jahren ein Schlag-
ansall arbeitsunfähig machte, so daß er sich allein mit
der Leitung begnügen mußte. Unter ihm wurde der
Plan gefaßt und in Ausführung gcnvmmen, dic Raf-
faet'schcn Stanzen in einem größeren Maßstabe als
bisher zu stechen und herauszugeben. Calamatta wurde
mit dem Stiche der „Disputa del Sacramento" be-
traut; die übrigen wurden folgendermaßen verteilt:
Martini erhielt den Auftrag zum „Pvrtento di Bol-
sena"; Marcucci die Ausführung des „Jncendio del
Borgo" und des „Parnaso"; Mancion jene des „Car-
cere di San Pietro"; Schiassi den „Attila"; für sich
selbst hatte Mercuri die „Scuola di Atene" reservirt.
Diese Stiche, welche auch jctzt noch nicht alle voll-
endet sind, teils wegen des Ablebens einiger dcr
Kiinstler, machen der römischen Kunst Ehre. Zu den
guten in den tetzten Jahren gelieferten Arbeiten zählt
 
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