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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Vom Christmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0074

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135

Vom Christmarkt.

136

cmderen zuwendet. Als nun 1872 die „Skizzen" ihren
Einzug in den Salon hiclten, da war in der That unser
Kiinstler durch seineAugenblicksbilder iin Nu ein beriihm-
ter nnd vielbegehrter Mann. Diese „nialerischen Palim-
pseste", dercn Grundirung ost ungenirt neben schärseren
Konturcn durchblicktc, ziindeten durch ihre Naturtreue,
durch ihre Grazie und namentlich durch den schalk-
haften Zug, der ihnen so gut zu Gcsichte stand,- man
glaubte das malerischc
Durcheinander der Linien
sich auf dem Papiere ent-
wickeln zu sehen, den
Künstler „bei der Arbeit"
zu belauschen. Doch dies
alles ist schon im achten
Jahrgange dcr Zeitschrift
siir „bildende Kunst" (S.

81 u. fs.) von berusener
Seite weit besser und
ciusführlichcr mitgeteilt
worden. Dort wird uns
auch ein Einblick in des
Künstlers Werkstätte nnd
scine Art zu schafsen ge-
währt, und des näheren
ciusgefiihrt, warum er
vfter den Stift statt des
Pinsels und der Radir-
nadel verwendet.

Elf Jahre waren
seit seiner „Entdeckung"
ins Land gegangen, da
brachten die Zeitungen
die Kunde von seinem
Hingange. Aber ruht
anch die einst so schaffens-
sreudigeHand,nochimmer
werden uns aus dem
reichen Jnhalte seiner
Mappen Überraschungen
zuteil. Die50 Blätterdes
Nachlasses, welche uns
diesmal auf denWeihnachtstisch gclegt werden,bilden die
dritte Serie des Hendschelschen Skizzenbuches
und ersüllen, wenn wir „Scherz und Ernst" und „Lose
Blätter" mit einrechnen, das zweite Hundert der in
Umlauf gesetzten photographischen Nachbildungen. Mit
wehmütig ernsteni Blick durchmustern wir die ersten
Blätter, aber bald sind wir wieder von dem alten Reiz
gefesielt, ganz bei der Sache. „Am Christbaum", „Die
kleine Wohlthäterin", „Sternennacht", — ein Pendant
zu Thumanns Jllustration von Heine's „Mein Lieb-
chen, wir saßen zusammen traulich im leichten Kahn",

— nnd „Waldgeheimnis" sind tief empfunden und
von demselben Zauber umwoben, durch den uns einst
Aschenbrödel und Schneewittchen entzllckten. Hieran
schließt sich cin langer Neigen lieblichcr Kindergestalten,
aus dem wir nur die Blätter „Schmollende Kinder",
„Ballspiel", „Letzte Repetition" und „Puppenmüttcr-
chen" als Zeugen für das innige Verständnis hervor-
heben wollen, daS der Künstler, obschon cin „unvcr-

besierlicher Junggeselle",
der Kinderwelt cntgegcn-
brachte. Dic bci weitem
zahlreichste Kategorie sei-
ner Gestalten aber rekrn-
tirt sich, wie srüher, aus
jenen alten und jungen
Charakterfiguren, die er
dem Lebcn nachgczeichnct
und, mit einer guten
Dosis seines liebenswür-
digen Humors vcrsehcn,
in Situationen versetzt,
die auf Keinen ihre Wir-
kung verfchlen, zumal
wenn sich, wie diesmal,
der Kultus der Schaden-
freude, der ihm seinerzeit
nicht ganz mit Unrecht
vorgeworfen wurde, als
beinahe harmlvser „Scha-
bernack" ohnc jedenherben
Beigeschmack abspielt und
verflüchtigt. Wir nennen
hier nurdie „HeißeMahl-
zeit", mit welcher die
wachestehende Köchin
ihren Soldaten sür das
Zerkleinern des Brenn-
holzes belohnt, den „Ge-
schästsstillstand", welchcr
einen über dem Stiesel-
putzen eingeschlafenen
Hausknecht zeigt, „Das
zärtliche Verhältnis", nämlich zwischen der altcn
Jungfer und ihrem Mopse, den „Wasiertechniker".
dem es „Wasier auf seine Mühle" ist, sein Triebwerk
endlich auch von einem größeren Kreise in Augen-
schein genommen zu sehen, das trüb in die Welt
blickende „Mistsinkchen" am Rinnstein mit seincn
O-Beinchen, Lereu HLHlung gerade noch Raum genug
für ein listig darunter hervorlugendes Kätzchen gc-
währt. Ein Glück übrigens, daß dic Blätter mit dcm
das Hojotohoh singenden „Gemischten Chor" nnd der
„Blechmnsik", welche der Schnstcrjunge cincm auf der

CarloS. JllustrationSprobe auö Äoethc's Werlen, PrachtauSgabc.
(Dcutsche Verlagsanstalt.) S. SP. 118.
 
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