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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Aus dem Bayerischen Nationalmuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0234

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455

NuS dem Bayerischen Nationalmuseum.

456

von Frankreich nnd die Namenschiffre U eingravirt
zeigt, so daß im Hinblick auf die Zeit der Ansertigung
nur an Ludwig XIII. cils Besteller oder Eigentümer
gedacht werden kann. Ornanienlschnitt und Gravirung
sind vorzüglich und vvllig im Gciste der später (1634
und 1635) von Cordier d'Anbigny in Kupserstich
herausgegebenen Musterblätter behandelt (s. Jllustr.
Katalog der Ornament-Saininlg. des k. k. vsterr. Mus.
siir Kunst und Jndnstrie. 1871. S. 145).

Die Samiuluug von Kostümstücken erhielt
nanientlich durch Scheiikungcn reichen Zuwachs. Hcr-
vorzuheben sind ein leinenes Hemd mit gesticktcn Ärmel-
und Halsbvrdiiren von violetter Seide und Goldfäden
ans dem Anfange dcS 16. Jahrhunderts unv die reich-
haltige, gleich dem vorigen Gegenstande ehemals in
Gedons Bcsitz befindliche Samnilung von Schuhcn,
welche charakteristische Stllcke vom Ende des 15. Jahr-
hunderts an (sog. Trippen) bis in die ncuere Zcit
enthält.

Jn die Scimmlung von Musikinstrumenten
gelangte unter andcrem das Bruchstllck einer Klavia-
tur, aus 26 mit Elfenbeinplatten belegten Tasten be-
stehend, wovon 24 geschnitztes vegetabilisches und
sigürliches Ornament zeigen, dessen Stil auf den
Schluß des 16. Jahrhunderts hinweist.

Jn der keramischen Abteilung wurde die
Serie der von der Burg Bogtareuth bei Rosenheim
herstanimendcn Thongefäße um ein weiteres beachtcns-
wertes Stück (Geschenk) vermehrt; von leicht ausge-
bauchter Kufenform, mißt cs 0,74 in Höhe bei 0,81 m
Weite der Mündung; unter dem wulstigen Rande der-
selben zeigt die Außenseite des Gefäßes fünf durch
Fingereindrücke gegliederte Ninge und dazwischen ein
ebensalls erhabenes Wellenband; das Material ist
schwärzlicher Thvn, welcher an der Außenseite mit einer
leichtenTünche von Graphitwasser überzogen ist. Kvnnte
die Einfachheit und Derbheit der Verzierung an die
Wiederaufnahme einer kunstmäßigen Töpferei im 12.
und 13. Jahrhundert gemahnen, so weist doch viel-
leicht die an dcr Außenseite mit Graphit angeschricbcne
Zahl 1507 auf eine spätere Zeit init einer alther-
gebrachten Handwcrkstradition.

Eine Lllcke wurde dnrch den Erwerb von 44 Stllck
spanischer Faienccfliesen ausgesüllt, welche vom
16. bis in das 18. Jahrhundert reichen und teils den
unmittelbaren Anschluß an maurische Weise, teils den
Wandel der Ncnaisianceformen erkenncn lasicn.

Ilnter den neuerworbenen Gemälden verdienen
außer eiuein wcnigcr künstlerisch als in Bczug auf
Sitte und Kostttm beachtcnswcrten Holztafelgemälde
des 15. Jahrhunderts aus dcm ehemaligen Kloster
LaNgheim, welches die Abwcndung einer vornehmen
jungen Dame Vvn dcr weltlichen Licbe zum Kloster-

leben darstellt, einige Glasgemälde von hohem künst-
lerischcn Wcrte angeführt zu werden. Eines derselbcu,
aus dem Nachlasie Gedons erworben, zeigt unter einem
durch zwei krästige Äste mil spätgotischem Laubwerk ge-
bildcten slachen Bogen das Wappen der Faniilie Pirk-
heimer und ist von vorzüglichcr Sicherheit nnd Schön-
hcit der Zeichnung; unter und neben dem Wappen
besindet sich die Jahrcszahl 1515. Von Meisterhand
zeugen sodann zwei Volivsenster, das einc von Wolf-
gang, das andere von Peter Baumgartner zu Frauen-
stein gcstistet; letzteres trägt die Jahreszahl 1524.
Beide zeigen innerhalb reicher umrahmenderRenaissance-
architektur den knieenden Donator, neben ihm sein
(eheliches) Allianzwappen und, weiter rückwärts stehend,
seinen heiligen Patron. Peter Baumgartner war beider
Rechte Doktor und erscheint daher im Talar und mit
dem Barett, während Wolfgang die volle Rüstung
jener Zeit (Marimiliansrüstung) trägt. Bcide Stiicke,
0,54 in hoch und 0,35 m breit, von demselben Meister
ausgesührt, sind vortrcffliche Kunstwerke, deren Wert
namentlich in der Sicherheit, Schönheit und Präg-
nanz der Linienführung liegt; sie stammen aus dem
Besitze des Freiherrn Max von Lerchenfeld aus Ering
und Frauenstein.

Unter den Architekturteilen tritt neben einer
Anzahl romanischer Säulenkapitäle und Basen von
großer Mannigfaltigkeit der Komposition und Ausfüh-
rung ein schön und reich geschnitzter Deckenbalkcn (Unter-
zug) von Fichtcnholz hervor; er entstammt jener Über-
gangsepoche von der Gotik zur Nenaisiance, welche
der üppigen Entfaltung der Zierformen im Holzbau
so günstig war. Wie diescs Stück, so ist auch eine
ausgcdehnte italienische Felderdecke aus dem 17- Jahr-
hundert mit schwungvoller, allerdings auch schon einen
gewiffen Grad der Bcrflachung des dekorativen Stils
zeigender Bemalung, ein Geschenk aus der Sammlung
Gedons; der Unterbringung der Decke in den Samm-
lungssälen deS Mnseums steht augenblicklich noch die
räumliche Unmöglichkeit entgcgen.

Von den kleineren Gegenständen der kirch-
lichen Kunst gedenken wir eines spätromanischen Reli-
guiars von Bronzeguß, welches im 16. Jahrhundert
durch Ansügung eines neuen flachen Dcckels nebst Schloß
und Bcschlägcn zu ciner Kaffette umgcwandelt wurde.
Der Kasten ncbst den vier drachenförmigen Füßen ist
in eineni Stücke gegosien; die vier Seitenflächen zeigen
in schlichter und flüchtiger Gravirung Christus und
die zwölf Apostel auf gepunztem Grunde. Ein wohl
ebensalls spätromanisches Kruzisix (Vortragkreuz) von
Bronze aus der ehemaligen Benediktinerabtei Fulten-
bach bei Dillingen bildet in der ansehnlichen Reihe
gleichartiger Werke, welche das Nationalmuseum besitzt,
das vorzüglichsle Stück. Der Gekreuzigte ist nach dem
 
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