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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Aus dem Bayerischen Nationalmuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0235

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457

Aus den, Bayerischen Nationalmuseum.

458

Würde. Am wcnigsteii Sicherheit bekuiiden die Prv-
portioiien und die Modellirung der vcrhiillteu Körpcr-
tcile. Eiu iveiteres ueues Eleiucut tritt uus iu der
Behandlung des Gewandes entgegen, welche eine eut-
schiedene Anlehnung au die Autike bezeugt. Dieser
Charakter ist am bestimmtesten in der wirkungsvollen
Partie zwischen den weitgestellten Knieen ausgesprochen,
währeud au den seitlicheu Partien noch die Schwierig-
keit des Gestaltens bcmerkbar ivird. Die Statue war,
wie einige sehr geringe Spuren bezeugen, einst völlig

älteren Typus mit nebeneinander auf dem Suppe-
baneum stehcudcu (nicht angehcsteten) Fiißcn, mit fast
hvrizontal gestrecktcu Armcu, mit dem Leutenrocke und
>»it leicht geneiglcm Haupte, ohne Krone uud Nimbus,
dargestellt; am obercn Ende dcs Krcnzespannncs er-
scheint die ckexteru voi. Jn tcr Arbcit und in den
Dinicnsivnen stcht cs dcm bekanntcn, kurch die (irrigc)

Sage aus Karl d. Gr. zurückgesührten Kruzisix von
Andcchs auffällig uahe, übcrtrifft dicses abcr an Natür-

lichkeit dcr Haltung; wir möchlen cs kaum fruher als ^ wclches ursprünglich tvohl in ähu-

»»> 1200 ansetzcu. . ^ Äusstellung sich befand wie die eincn verwandten,

Die wcrtvollsten Erwcrbungen bilden trci Wcrke ^ cutwickelteren Stil zeigendcn Stuckstguren

der Bildhauerei auS vcrschicdcncu Epochen. Das alte,lc a e ^ Jungfrau uud der Apostcl an den

derselbcn und bei allcr künstlcrisck'cn Unvollkvmmeiibeit ' steinerneu Chorschraukcn in der Licb-

zuglcich auch das bcdeutsamste iu kunstgeschichtlicher b daalberstadt. — entstand ohnc Zweisel

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küustlerischcn Ausstattung dersclbcu gchortc. viellcicht
erst im Laufe des 13. Jahrhuuderts; deuu der Bau
sck'eint sehr laugsan. sortgeschr.tten Z" noch'"

Jahre 1284 wußte n.an nichts vou e.ner We he des
Neubaues und erst 1302 sand diese eudl.ch statll

Werke der Rundbildnerei aus den ersten Jahr-
rebnten des 13. Jahrhunderts sind sv selten. die Eigen-

dast ihm uebst deu verwandteu Sitzbilderu aus Wesiv'
bruuu seruerhin in der Geschichte der mittelalterl.chen
Plastik Deulschlands die gebührendc Stelle u.cht vor-
ruthalten werdcn sollte*). Als Stat.oneu au, de.u
-Meae zu dcr cdlen Ausbildung sriihgotischer Plastik
>vir sagen frühgotisch. denu der bildnerische Gedanke
dcr goldcnen Psorte zu Freibcrg gehort der Goti an)
könneu diese Werke sreilich »ur be. der Boraussetzuug
rines weitreicheuden Zusan.menhanges erkannt werden;
der Aunahme einer selbs.Ändigen, lokal abgesch.edeneu
Entwickcluug stcllen sich die in den angeren Verhalt-
„isien schwcrlich gcgebene Möglichkeit - Reichenbach
ward erst 1118 gegründet - und dcr mcht wohl an
Ort und Stelle zu gewiuueude Einstuß der ckntike in

Eiu vorzügliches Wcrk der Spätgotik ist der
Grabstein des Ritters Ulrich Pusch, f 1458. aus dce
Marrkirche zu Vilsheim in Nicdcrbayern; er bcsteht
!üs eiuer viereckigen tiegeuden Platte vou rotem Mar-
mor ...it skulpirter Oberfläche. Diese ze.gt unter eiue.u

Äeziehung, ist eine sitzende, 1.28 m hohe Chripus-
Itatue vou Granit aus dem ehemaligen Bcnediktincr-
klostcr Reichenbach iu dcr Obcrpsalz. Das Motiv
des Bildwerkes ist die von der altchristlichen Tradition
überkouimene Darstellung des 8-ckvator muncki oder der
mazostas voniini: die auf einem Throne sitzende Ge-
stalt Christi mit der Königskrone auf dem Haupte, mit
der linkcn Hand ein auf das liuke Knie gestelltcs offencs
Buch haltend und die rechte Hand mit lehreuder (oder
segncnder) Geberde vor der Brust erhebend. Der ganz
besoudere Wcrt dicscs Wcrkcs, welcher es zu einer glück-
licheu Erwcrbung sür das baverische Natioualmuseum
erhebt, bcruht darin, daß es eine der Vorstusen be-
zeichnet, welche im Lausc dcs 13. Jahrhunderts z»
jeuer cdleu Kunst des Meißels sührtcn, wie sie insbe-
sondcre durch die Wechselburger und Freiberger Bilv-
iverke als Höhepuukte vcrtretcn wird.

Die romanische Plastik, welche sich ohuehin
in Werkcn vvn Stein sclten vom Relicf zum Rund-
bilbe crhob, staud noch untcr dem dvininirendeu Ein-
stusse althergebrachter Typik, uud dieser drückt sich
uuch au dcr Neichenbacher Statue iu der Gesamtan-
koge noch dcutlich aus; in der Ausführung aber trcten
ueue Elemente aus, welche eincu Fortschrilt der künst-
lerischen Gestaltung anbahuen. Es ist dies eincrseits
das Vvrnchmlich an der linken Hand (die rechte ist
leider sehr verstümmclt) und an den Füßen sich be-
kuudende Strcben nach Naturwahrheit, ivelches aus
ben Gebrauch eines natürlichen Vorbildes schließen
läßt. Weniger gelaug diesc Absicht bei dcr Bilduug
bes Hauptes, desien geometrisch geordnete Barllocken,
flache, zu schr an der Oberfläche liegende Augen, zu
breite, allerdings größtenleils verstiimmelte Nase noch
eiue Befangeuhcit verrateu, welche der Stütze dcr älte-
oeu, z. B. in dcu Bronzcwerkcn, Kriizisircu u. s. w.
ausgeprägtcn konventionellen Foriugebung nicht ent-
behreu kvnnte. Doch mangelt dem crnsten, gcradeaus
blickenden Antlitz nichl dcr Ausdruck der Hoheit und

') Sighart erwähnte diese Statue nur kurz uud mit
falscher Materialbezcichmmg als Holzstatue (Geschichte der
bildenden Künste iin Königreich Bayern, S. 188), und
seine Angabe ging in die Kunsttopographie Deutschlands vou
W- Lotz, Teil II, S. -H4 riber; außer der oben besprochenen
Granitstatue blieb in Neichenbach kein Werk der mittelalter-
lichen Plastik mehr erhalten.
 
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