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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Die Wiederherstellung der Kirche St. Gereon
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0347

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Die Wiederherstellung der Kirche St. Gereon.

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räumlichen Rücksichten nicht alle anzuführen vermögen.
Aber es bedarf uicht des Suchens in der Ferne. Man
betrete nur die ebenfalls romanische Taufkapelle mit
lhren hochwichtigen Wandmalereien aus der ersten Zeit,
etlva 1230. Diese sind der wahre Kanou sür die
fernere Ausmalung des jetzigen Kuppelbaues. Auch hier
sinden sich kleine sormale Verstöße, aber man verzeiht
sie gern diesen großartigen Gestalten, die uns mit Ehr-
furcht erfüllen. Während in den Glasfenstern die miß-
gestalteten Köpfe zu groß uud dagegen die formlosen
Häupter in den Gewölbekappen zu klein sind, bewirkt
dies ciu durchaus unzulässigcs Schwauken in den Ver-
hältuisien auf ciner und derselbcn Schfläche. Dagegcn
in der Taufkapelle sehen wir Brustbilder, dem Auge
dcs Beschauers nahe stehend, die sich durch Ernst und
Schönheit im Ausdruck sowie durch edlc Gestaltuug
auszcichuen. Sie sind übcrlcbensgroß, schlank und zu-
gleich mächtig in ihrer Erscheinung. Auch hier schcu
>vir die Kaiserin Hclcna, deu Kaiscr Konstantin und
mehrere andere, vor alleni auch den heil. Gercon mit
cincm Schilde, auf welchem das goldenc Kreuz in
blaueui Grunde crscheint.

Es handelt sich nun darum, inwieweit diese nahe-
liegcndcu Betrachtuugen und Winke im vorlicgenden
Falle Berücksichtigung gefuuden haben. Wir wvlleu
aus den Gewölbekappen nur eines, das durch über-
mäßige Größe hcrvorragcndc sitzcnde Bild dcs segnen-
den Heilandes, crwähncn. Man fragt sich sofvrt: darf
das Autlitz dcs Herru mit so groben, uichtssagendeu
Zügcn auch nur gedacht werden ? Jst cs gestattet, sich
sv die segnende Hand dcs Heilandcs vorzustellcn, die,
abgeseheu vou ihrer Formlvsigkcit, sast so laug ist wic
der ganze verzeichncte mumienhafte Vvrderarm? Jn
diescr höchst iiiangelhasten Weise erscheineu auch die
übrigeu Figureu, die cinem das Aufschaucn verlcidcn.

Gehen wir nunmehr zu der neuen Glasmalerei
über, da zcigcu sich die Nlißgcstalteu wv möglich noch
weit schlimmer. Dem Eiutretenden gegenüber in dem
dreiteiligen Fenstcr des Zehnecks erscheiuen drci gräm-
lichc, vvllkommen zwcrghaste Gestalten, dcnu sic sind
nm eine Kopslänge zu kurz und dazu durch einc Über-
sülle der Gewänder unmäßig breit. Durch den Um-
staud, daß die farbige und blumenreiche Eiufastuug viel !
zu brcit, zusammengenommcn mehr als die Hälfte der
ganzcn Fensterfläche einnimmt, fließen Figuren und
Rahuicn in cinander. Unmögliche Häude und Füße.
ein grobes leeres Antlitz ist alleu jenen Gestalten iu
dcn Fenstern vcrliehcn. Die meisten schielen nüt dem
Augapfel iu dcn äußeren Winkel. Jn dieseni drciteili-
gcn Fenster soll dic Mittelfigur wieder den segnendcu
Heiland vorstelleu, rechts von ihm steht der heil. Gereon,
links unrichtigerweise dcr heil. Cassius, dahin gehört
Gregorius Maurus, der zweite im Range. Auf dem

Schilde uud dem Vexillum des hcil. Gereon sind die
Farbcn falsch, Silber auf Rot. Dicser Märtyrer führtc
ciu goldcnes Kreuz auf blauem Fclde, so crscheint er
schon in den Glasfenstern unseres Domes vor mehr
als 500 Jahren. Schon der letztere Umstand allcin
verbietet jcde willkürliche Verändcrung. Es bcweist
dies, daß auch nach der archäologischcn Seite hin gc-
fehlt ist. Jn dcm gegenüberliegendcn dreiteiligen Fcu-
ster schen wir wieder in Gcstalt dreier Zwerge dic
heil. Helena als Mittelbild mit gauz verzeichnetcn
riesigen Händen, die beiden Hciligen rcchts und links,
Victor und Mauritius, mit verkrüppeltcn Armeu und
Händeu und iiuförmlichen Füßcu, allc mit eincm Aut-
litz, das sich jeder Besprechung entzieht. Die erbärm-
lichen Gestalteu iu dcn übrigen acht Feustern siud
schematisch, das hcißt eiue wie die andere. Jn dcr
plumpcu rechteu Hand haltcu sie die Lauze, mit dcr
liiiken, die zcrbrochcncr nicht sciu kann, uud mit gichti-
gen Fingeru dcn Schild.

Wir verwahren uus ausdrücklich gegeu irgend
cinen Vorwurf der Übertreibung und bittcn jeden, sich
pcrsönlich Vvn dicsem Zustande dcr Dinge zu übcr-
zcugeu.

Wie uuu, wcuu in ähnlicher Art dcrDvm
ausgemalt würde, da, wie wir hörcu, dersclbeu
leitendeu Haud diese Ausgabe zusallen soll!

Auf dcm Wcge dcr Gchcimthuerci ist dicse Kuusl-
psuscherci von St. Gerevu entstandcn; eiue öffentliche
vvrherige AuSstelluiig auch uur ciuzclncr Teile hälte
die Mißbilligung uud Verurtcilung dcr Öffeutlichkcil
bald und laut gcuug erfahrcu. Es solltc uur einmal
cin Küustler wagcu, ciuen segnenden Heiland, wie ivir
jhn oben kurz gekeunzeichnet, im Museum oder iu
Schulte's Sälen deu Blickcn preiszugebcn! Ein Hohu-
gelächter wärc die Antivort der crgötzten Zuschaucr.
Hier iu der Gerevnskirchc frcilich ist es nicht Spvlt
! uud Hohn, sonderu tiefer Schmcrz, welchen die greu-
liche Berunzierung dcr weihevollen Räume crwcckt.
Man miiß sich billigerweise fragcn, wie und durch
welcheu Einfluß sind solche Dinge möglich gelvvrden'?
Und leider ist es nicht zu leugnen, daß wir in dcr
Ausschmückung unscrer Kircheu weit zurück sind, weuu
wir die vor bcinahe cineui halbeu Jahrhundcrt er-
zcugte Wandmalerei im Hause der Ovcrstolzen in dcr
Rhcingasse als Ausgangspunkt nehmen.

Von dem Geschrci der fünfziger Jahre: „Jhr
Künstler, wcrdet Haudwcrkcr, ihr Handwcrker, wcrdet
Küustler!" scheint bci weitem das erstere eiugetroffeu
zu seiu. Einc Mcnge Leute, die für hohe Kunst uur
geringe Begabuug zeigen oder zu träge sind, den müh-
seligcn Pfad zur höheren Aiisbilduug zu wandeln, werdcu
in dem sogenanuteu Kuusthandwerk untergebracht
und bilden ciiicu nciien Bcrufsstand, der vorzugsweisc
 
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