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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

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Heft 1 (Oktoberheft 1929)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0088

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das Schwebende des schauerli'chen Eindrucks durch die Art der Darstellung errelcht;
klare Linien und geschlossene Flächen tvürden nie solche Zwischenstadien von Sei'n
und Nichtsein verkörpern können.

Gestiefelter Kater. Das Blatt zei'gt, wie „Rübezahl", Kubin als Jllustrator.
Man vergleiche ähnliche Darstellungen von Richter und Schwlnd und wird sofort den
Zeitunterschied erkennen; dort die harrnlose Biedermeierwelt, hier moderne, schärfere
und tiefere Psychologie wie Erfassung der Umwelt. So gem'al Schwinds „Gestie-
felter Kater" als Gesamtkomposition und in den Einzelheiten, er bleibt doch ganz
in der kindlichen Sphäre. Wie Kubin den traurigen Müllerburfchen gibt, der nur
an seinem Kater einen hilfreichcn Freund besitzt, das steigert die Traurigkeit zu
trostloser Bersunkenheit, die nur mehr im Trunk einen strohhalmhaften Halt hat.
Nun aber ersteht beim schmeichelnden Wort des Katers ein Aufhorchendes im zer-
störten, zermürbten Gesicht, ein Aufglimmen der fast erloschenen Hoffnung, die er-
schütternd wirkt. Der Einzelfall erhält etwaS Schicksalhaft-Typisches. Und wie
charakterisiert der fransige Strich die verlumpte Existenz dieses armen Teufels —
Tragik umwittert ihn.

Der verrufene Ort. Ein Thema, das Kubin wiederholt und mit Vorliebe
behandelt. Eine seltsame Zwifchenwelt tut sich vor uns auf. Und es ist interessant,
dem Einzelnen solcher Wirkungen nachzugehen. Zunächst das blasse, fahle Haus
in seinem verschobenen und gestelzten KubuS, die einschlupfartige Türe und zur Seite
noch die Treppe mit der Kanne — als ob sie plötzlich verlassen worden wäre und
der Mensch sich beim Nahen der Kutsche geflüchtet hätte. Man verdecke sie und
beachke die Kanne nun: es ersteht um sie und durch sie ein sonderbares Einsamkeits-
gefühl, wie bei der verlassenen Bank auf der anderen Seite, im Baum der Mitte.
DaS alles steigert sich durch die Ummauerung und ihre schlingige Form. Die Ab-
geschiedenheit wird jetzt zur Verlassenheit, mit einem Stich geheimen Lebens, das
sich aber ganz zurückgezogen. Die herbstliche Landschast trägt ihrerseitö zn alledem
Ahnliches bei, wie die Dämmerung — dazu das düstere, humpelige Gefährte mit
dem plötzlich stehenden Gaul, als wittere er etwas Bedrohliches. Aus alledem erhebt
sich um das Haus eine Atmosphäre des Unheimlichen, des Verrufenen, das gemieden
wird. Das Wunderbarste aber ist, wie zuletzt doch der Eindruck entsteht, das Ganze
existiere eigentlich nur in einer anderen Welt oder höchstens in einem vergessenen,
abgeschlossenen Erdenwinkel, an den man nur ganz znfällig einmal hinfindet. Die
kontrastreiche Wirkung des Helldunkels tut das ihrige, um diese Situation noch zu
verstärken.

Hundefänger und Laternanzünder — ein Beispiel des Humorvoll-Gro-
tesken, Traumhaften, in dem sich die Wirklichkeitsformen und Beziehnngen verschie-
ben und dadurch verschroben erscheinen: eine wanke, schwanke Welt taucht auf, um
schnell wieder zu verschwinden. Wie originell sind hier Schäferkarren in Hundebe-
hälter umgewandelt und welche Heimlichkeit umgibt sie; die Kärren scheinen lebendiges
Gerümpel, das sich nur widerwillig transportieren läßt. Daher die Mühseligkeit dieser
menschlichen Zugtiere — und was darum noch sich regt und webt — das Ganze
eine blühende Phantastik, die keinen klar erfaßbaren Sinn hat, aber doch nicht
unsinnig ist — ein Stück irrationaler Welt, die wir mehr mit den Nerven und der
Phantasie als mit dem Berstand aufnehmen müssen: geheimnisvoll wichtiges Men-
schengetue um ein Nichts, worüber sich die alte Brücke und Straße krümmen —
halb im Entsetzen, halb im fast platzenden Gelächter. Jm letzten steckt ein granser
Humor dahinter, der über alles menschliche Sich-wichtig-nehmen und Geheimnis-
kramen sich lustig macht.

K. Rottmann (1798—16Z0). Wir haben von ihm schon manche Zeichnung ge-
bracht. Hier zeigt er sich alö Aquarellist, der mit leichter Hand klarformig und be-

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