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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

DOI Heft:
Heft 4 (Januar 1930)
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André, Hans: Vom Wesen und Gegenwartswert christlich-mittelalterlicher und Goethescher Naturanschauung, [2]
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Lagerlöf, Selma: Selma: zwei Kapitel aus Mårbacka, Jugenderinnerungen (A. Langen Verlag)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0288

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Menschen cin Ding- und Gegenstandsraum und aus der Grundlagc
der Elgenartscrfassung dann weikerhin auch ein Symbolraum, in dem
die Dinge Ausdrucksformen und Qrgane des Geistigen selbst werden, so dast
auchdasbiologischan sich Jndisferenteinseinem Gesichks-
kreis bedeutsam wird. Ganz anders liegcn die Verhältnisse beim Tier.
Wenn in ciniger Entsernung von ciner Eidechse eine Kanone losgeschossen
wird, so wird das Tier davon gar nicht berührt. Dagegen wendek die Eidechse
bei eincm ganz leisen Rascheln des Heues in ihrer Umgebung sosort den Kops.
Ihre Umwelt ist relativ auf sie selbst rein impressio-
nistisch abgestimmk, und zwar so begrenzt und strukturicrt,
daß nur die biologisch für sie selbst bedeutsamen Impres-
sionen bei ihr anklingen. Die Wahrnehmungcn des Tieres sind
gleichsam auf eine Anzahl von äußeren „2l n r u f u n g e n" beschränkt, auf
die es mik einer unbeirrbaren Treue antwortet. Es hatein M iksein mit
seimer Umwelk, aber nicht ein Mitsein mit der Welk, zu
der sich erst der Gegenstandshorizont des Mcnschen er-
weitert, weil er rein wesensstrukturell den biologischen
Interessenkreis überwölbt. Diese Wesensbeziehung zwifchen Menfch
und Rkatur ist als solche unaufhebbar und stellt sich auch nach Perioden
aufklärenden Herabziehens der Dinge und der Auflösung ins Alltägliche
immer wie von selbst wieder her. Denn die rein technische Gefangennehmung
der Dinge zur Befriedigung der biologischen Bedürfnisse schafft rückwirkend
auch leicht wieder eine Gefangenschaft des Menfchen — eine Art Nache der
Nkatur —, wenn ihr die liebende Erhebung zum Gleichnis und Symbol ver-
sagt wurde. So wird rein aus der streng analysierten Wesensrelation von
Nkatur und Mensch die mystische Weisheit der Hildegard vonBingen, die
wir im ersten Teil dieser Abhandlung vernommen haben, in ihr altes Recht
wieder eingesetzt. (Schluß folgt)

Selma

Zwei Kopjrel auo Märbacka, Jugenderinnerungen §angen Derlag)

Von Selma Lagerlöf

Das Kindermädchen

2luf Marbacka hatte man eirunal ein Kindermädchen, das Back-Kajsa hieß.
Back-Kajsa war sicherlich drei Ellen lang und hatte ein großes, grob geschnit-
kenes Gesicht mit strengen, finsteren Zügen; ihre Hände waren hark und voller
Risse, in denen die Haare der Kindcr hängen blieben, wenn sic sie kämmke, und
sie war von düsterer und trübsinniger Gemütsart.

Ein solches Mcnschcukiud schicn ja nicht gerade zum Kindermädchen geschaffen
zu sein, und Frau Lagerlöf hakte sich auch sehr lange besonnen, ehe sie sie
dingte. Back-Kajsa hatte noch nie zuvor gedient, ihre Herkunft machte sic auch
nicht verlockcnder, von guken Manicrcn hatte sie keine 2lhnung, dcnn sie war
in der armseligcn Kate Backarna wcik droben auf der Waldhöhe oberhalb
Märbacka aufgcwachsen, wo kcin Mensch in der Mähe wohnte.

2lber eo war offenbar kein andcres Mädchen aufzutreiben gcwesen, und so
hatte man Back-Kajsa schließlich doch genommen. Daß sie kein 2Zetk macheu

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