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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

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Heft 5 (Februar 1930)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0395

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ren peinigend, wie ein böses Tier hinter
einer Blnmenvase hervorzlscht nnd jeden,
den er liebt und der ihn liebk, mit dem
bissigsten Worte anfällt. Diese Szene
sprengt die Fläche der Leimvand; man
möchte die Spieler auf die Bühne reißen,
hört sie die Worte ihreS Textes sprechen
und spürt die Atmosphäre ihrer leibhaf-
tigen Gestalt. Dieser Film ist nicht der
schlechte Abklatsch eines TheaterstückeS; er
geht in eigenkümlicher Weise der Tragödie
voran nnd weist — in fast allen Einzel-
heiten durchaus filmgemäß aufgebaut —
gleichwohl auf die andcre,„vollere"und da-
mit für öiesen Stoff vollkommenere Form
hin. Wir haben an ihm dankbar teil, wie
an der technischen Übertragung eines gro-
ßen künstlerischen Ereignisses, dem wir lei-
der selbst nicht beiwohnen können. Ob aber
der Sprechfilm hier die Erfüllung bedeu-
tet, ist gleichwohl noch sehr die Frage.
Ahnliche Unruhe flößt die kleinbürgerlich-
beschauliche Welt Karl BalentinS ein.
Walter Jerven, dem Unermüdlichen, ist
es gelungen, den großen Münchner Ko-
miker für eincn mehraktigen Film, „Der
S o n d e r l i n g", zn gewinnen, den er
selbst verfaßt und gedreht hat. Er hat die
ganze Atmosphäre, aus der heraus Da-
lentins hilflos mißgeschicktes Antlitz er-
wächst, das München der Kauze und
Kleinbürger, in einer liebevoll aneinander-
gefügten Reihe von Episoden mitgegeben;
aber wieder gipfelt daS Spiel in einer
Szene, die darüber hinaus nach dem leib-
haften Valentin verlangt. Der absonder-
liche Gehilfe des Schneidermeisters Kuhn
ist durch die Verwicklung von Umständen
in den Verdacht gekommen, einen Hun-
dertmarkschein gestohlen zu haben; eine
ebenso merkwürdige Verwicklung von
Umständen jedoch erweisk »och rechtzei-
tig seine Unschuld. Völlig zerrüttet durch

die unbegreifliche Bosheit der Dinge die-
ser Welt, fragt Valentin, als ihm nun-
mehr seine Unschuld ebenso überraschend
wie seine Schuld mitgeteilt wird, nur:
„Weshalb?" Der stärkste Augenblick
der Handlung ist trotz guter Photographie
der gebrochenen Länge des Häftlings und
der riesenhaften Statur seines Hüters
doch kaum zur Hälfte Bild geworden. Es
fragt sich, ob Zuschauer, öie Valentin nicht
kennen, die Szene richtig mit der unnach-
ahmlichen inneren Verfilzkheit von Gestalt
und Stimme ergänzen; aber spüren wer-
den sie unbedingt: hier kommt beinahe der
deutsche Chaplin über die Leinwand ge-
gangen; cr ist nur eben behindert, sich
auf ihr ganz mitzuteilen; Ohrfeigen ge-
nug kriegt er und — teilt er aus; aber
bei der Übertragung vom Apollotheater
her haben sie den Knall verloren — wo-
mit wieder nicht der einfache Knall des
Geräuschfilms gemeint ist.

So interessante und für die Grcnzbestim-
mung der Kinematographie wichtige Fil-
me werden zurzeit in Deutschland gedreht.
Es braucht wohl nicht erst bemerkt zu
werden, daß beide von kleinen mutigen
und künstlerisch geleiteten Unternehmen
und nicht von der Ufa herauögebracht
wurden. Deutschlands beherrschende, von
Herrn Hugenberg beherrschte Filmgesell-
schaft zeigt gleichzeitig ihren ersten Ton-
film: „Die Melodie des Herzens".
Sollte noch irgendwer den leisesten Zwei-
fel an der nationalen Schmach dieser „na-
tionalen" Produktion haben, so sei ihm
der Genuß dieses frisch-fröhlichen Trei-
bens in Ungarns Kasernen, Bordellen und
Pußtadörfern zu Czardasklängen, Karus-
sell- und Kirchenglockengebimmel, dicser
Absud aller Bild- und Tonsentimentali-
täten aufs wärmstc empfohlen.

WolfgangPetzet

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