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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

DOI Heft:
Heft 5 (Februar 1930)
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Brües, Otto: Presse und Schrifttum
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0379

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Presse und Schristtum

Von Otto Brües

^^b es wichtig sei', das Schrifttum eines Landes zu entwickeln und zu fördern,
^-^darnach darf man heute niemand fragen, der durch Beruf und Neigung dem
Ungeift verpflichtet ift. Wenn aber die Menfchen versagen, die vorbeftimmt fcheinen,
>'m Schrifttum den Ausdruck der gelebten Gegenivart zu spuren, und sich noch ettvas
darauf zugute tun, dann wird es Zeit, über ihr Tun und Lassen nachzudenken.
Was die Journaliften betrifft, so haben unter einigen andern Kierkegaard und
Niehfchc das am gründlichften besorgt, aber von ihrer bittern Kritik soll hier nicht
die Rede sein, weil sie eine Reihe anderer Protefte gegen Zeit und Zeitsunden mik-
einbeziehen müßte; hier sei nicht vom Kampf u m den Journalismus gesprochen,
sondern von dem Kampf innerhalb seiner Grenzen.

Es gi'bt in jedem Beruf eine Reihe tüchtiger Männer, denen zur vollen Bedeutung
nur ein beftimmtes, feineS Gefühl für die Fragwürdigkeit 'dieses ihreg Berufeö
mangelt. Es gibt Gelehrte, die niemals über die Grenzen der Wissenfchaft nach-
denken, und Künftler, die nie am Sinn der Kunft verzweifeln. Am meiften fand
ich immer noch die ^sournalisten von der Wichtigkeit ihres Tuns und Lassens über-
zeugt; ich bin selbft einer und spreche diesen Satz nicht inS Blaue hinein. Zwar
stellen wlr selten die Spalten der Zeitung für unsre eignen Angelegenheiten bereit;
aber wir dulden auch keine Kritik. Greift wo der Dramaturg eineS Theaters die
Kritiker an, so sieht er sich mit einem Schlag einer Front beleidigter Mannen
gegenüber; geht gar einer hin, in einem Lustspiel allzu flinken Reportern auf die
Finger zu klopfen, so erhebt sich Zeter und Mordio. Weil eö aber für geistige Men-
fchen — und gerade daö wollen Journaliften sein — nur cine einzi'ge Bewährung
gibt: die Grundlage dieser geiftigen Eriftenz durch immer neues Fragen und Boh-
ren zu erfchüttern und dann wieder neu zu errichten: wird hier an einem kleinen
Ausfchnitt aus dem Journali'smuS einmal untersucht, ob er nun wirklich ein „Kul-
turinstitut" ist. ^

Presse und Schrifttum — gehören sie zusammen und ist es überhaupt notwendig,
sie miteinander zu verbinden? Mit eincm ganz ftrengen, einem Jahrhundert-Maß-
ftab gerechnet, fchließen sie einander auS. Es gibt einige wenige Geifter, deren
Wort und Werk auf hunderttausend Blättern im Rotationödruck zu vervielfältigen,
ohnehin eine Entweihung bedeutete. Es gibt Erzeugnisse des Schrifttums, die nicht
in eine Zeitung gehören, weniger, weil sie für die Leser „zu hoch" wären, wie es
die bcqueme Ansicht jener Bertriebs- und Werbeleiter ift, die ChriftuS sagen und
Kattun meinen, Goethe im Munde führen und seine Worte in die Anzeige setzen —
sondern weil geistige Werte von einer gewissen Höhenlage an eben nicht mehr neben
alltäglicher Politik, alltäglich „Vermifchtem" und alltäglichen Annoncen gedruckt
werden dürfen, ohne daß das Wertgefühl zerftört wird. Was aber einigen We-
nigen möglich ist — ein Leben lang auf jeden Widerhall durch die Zeitungen zu
verzichten — können sich nicht alle Schriftsteller auferlegen; sie müßten es denn in
der Absicht tun, die Presse zu boykottieren. Etwa auö der Überlegung herauö, daß
keine Zeitung ihren „Stoff" — wie man das verdächtigerweise nennt — selbst aus
eigner Kraft hervorbringen könne und daß der Presse dann am Ende nichts andres
übrig bleibe, als die Mitarbeit der freieren, keiner Schablone unterworfenen Geister
zu suchen. Bei eincm solch halsbrecherifchen, um nicht zu sagen selbftmörderifchen
Unterfangen würden die mindern Elemente alö Streikbrecher deö Geistes vollends
siegen. Es bleibt dabei: für „Ewigungen", um ein Wort des herrlichen Lichtenberg
anzuwenden, ift eben eine Zeitung nicht da; ihr sei ein mittlerer Rang gemäß, der
vielleichk als Unterbau für das Derständnis jener hohen Werte gelten darf, und so
wäre alles, was Presse und Schrifktum angeht, in fchönster Ordnung, wenn nicht

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