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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

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Heft 6 (März 1930)
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Lachmann, Eduard: Anruf in der Nacht: Erzählung
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Heiseler, Henry von: Marginalien
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0437

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man von der Verlobung zu sprechen, und als äußeres Zerchen, daß sie deri
Wrderstand aufgebe, lud Konrads Mntter dre Mutter Marrens zum Besuch
ein. Das ser nicht zu umgehen, schon der Leute wegen. Die Verlobken machken
beide störrische Mienen zu dem Plan, wußLen sie auch nichLs NechLes da-
gegen einzuwenden.

Kurz vor der AnkunfL rhrer Mutter erklärLe Marie, daß sie in die StadL
sahren wolle. Sie richLeLe es so ein, daß Konrad sie nicht begleitete. 2lls der
Wagen schon einige ZeiL weggefahren war, fand die MuLter in dem Zimmer
einen ossenen Brief, in dem Marie Abschied nahm. Sie käme nichk zurück.
Die Sache habe keinen Zweck sür sie. Konrad werde nur sie und sie ihn ins
Unglück bringen. Sie paßken nicht zusammen. Es sei die gleiche GeschichLe
wie mit dem Heinrich, der auch zu gut sür sie gewesen sei. Es wäre besser
gewesen, wenn Konrad sie nicht zu sich gerufen hätte. Ihrer MuLter möge
man raschestens abschreiben. Sie gedenke nichk, zu jener zurückzukehren. Sie
wolle irrs Leben reisen.

So haLLe die Mutker einen lerchten Sieg und der bürgerliche Geist des
Hauses mik ihr. Der Sohn, schuldig oder unschuldig, das war gleich, war ge-
schlagen. Der Anruf aus mächtiger Skunde verhallte. Klang nicht aus sernen
SchluchLen GelächLer herauf? Konrad ergrrss die FluchL.

Der cinzige, der ihn verstand, war der alte ÄaLer. Er sah ihn beim Zlbschied
zum leHLen Male. Noch vor WeihnachLen starb er.

Konrad kehrte zurück. Heim und Hof hielten ihn fest in den Händen. Er
übernahm das GuL, und einige Iahre später fmrd er in der Tochker eines
GuLsbesitzers aus der NachbarschafL die Gesährtin, deren er bedurfte.
In den Iahren des Übergangs haLLe er schwer zu kämpfen. IeHL ist er über
das Gröbste hinaus und hat viel Freude an einem Buben, den ihm die Frau
geschenkt hat. Sie läßt es sich angelegen sein, daß er vergesse. Manchmal,
wenn sie am Abend zusamnrensiHen und sie der WorLe müde sind, legt sie,
kommt er ins Sinnen, jhm ihre Hand auf die RechLe, so, als wäre es seine
Lrnke, so, als wenn er einen Arm nicht verloren häLLe.

Margmalien

Von Henry von Heiseler

I.

ch wüßte gern, auf Grund welcher GeseHe das Wcrk eines Dichters aus dem
^^Kreise der natioualenDichLung heraustritt und BesiH depWelLliLeratur wird.
Der dichkerisch-künstlerische Rang scheint hierbei nicht die entscheidende Rolle
zu spielen. Es läßt sich eine ganze Reihe von Fällen aufstellen, in denen die
größeren DichLer RkaLionalbesiH bleiben, die geringeren aber in den
BesiH der WelLliteraLur cinLreten. KeaLs ist größer als Byron, Puschkin grö-
ßer als Tolstoi, Kleist größer als E. T. A. Hoffmann — ich nenne in derselben
Weise etwa noch die Paare: Hölderlin—Heine, Gustav Froeding—Tegner,
Swinburne—Wilde, LerrnonLow—Turgeniew, Alexander Block—Maxim
Gorkij, Carducci—d'Annunzio, Browning—ScoLL, Andre Gide—Zola, Mall-
arme—V. Hugo, Meredith—Dickens, und es gibt zahlreiche andere Bei-
spiele mehr. Die leichtere ÜberLragbarkeiL der zweiLgenannkcn mag hierbei von

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