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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

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Heft 4 (Januar 1930)
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Kütemeyer, Wilhelm: "Jahrbuch der Sektion der Dichtkunst der preußischen Akademie der Künste"
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0306

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So legt er Zeugnis ab 2Z Sei'ten hindurch. „Wir Dichter sind und müssen blind
und taub für das Urteil der Umwelt sein, Dabinrasende sind wir. Man kann uns
nicht »helfen«" (S. 181). Wie mei'nte doch Thomas Mann? Di'e Derfolgung der
Wahrheit isl natürlich am behendesten, wenn eS sich um Selbsterkenntnis handelt.
Wundert man sich noch, daß Molo, weil Schiller lungenkrank war, bei der Kon-
zeption deS SchillerromanS aus Einfühlung wieder Asthma bekam? (S. ig4).
Und wer ahnt in den lapidaren Definitionen solch unmenschlichen Dichtens und
TreibenS: „Dichten heißt, erlaubten Wahnsinn üben" (S. igz), „Dichterische Kon-
zeption ist sichtbar werdender Triumph eines schöpferischen Notzuchlaktes" (S. 2og),
nicht die Formel für daS, was in dem Kreise der hoheu Akademie vor sich geht, deren
literarische Arbeiten, soweit sie grundsätzlich bedeutsam sind, in Zahresbänden heraus-
gegeben werden, von denen der erste vorliegt.

Daß Mombert in dem Bande vertreten ist, verstehk man, daß Heinrich Mann hinein
kommt, auch, die Aufsätze Döblins, Wassermanns u. a. können auch nicht enttäu-
schen. Aber wie kommt Theodor Däubler auf seinem Wege nach Hellas dahin?

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I > harles DeSpiau ist zu Mont de Marsan am ich November 167^ geboren —
^Nm Land zwischen Bordeaux und Bayonne, in einer heißen Ebene voll endloser
Kiefernwälder, den größten Enropas. Jm wesentlichen ein Schüler RodinS, hat er
sich doch ganz anders entwickelt. Erst in den letzten Jahren wurde er weiteren Krei-
sen bekannt; das aber ist ganz und gar bezeichnend für sein Wesen. Darin wie in
seinem Werk erfüllt sich wieder einmal das Wort von Buffon, das er 17ZZ in
seiner AntrittSrede in der Akademie gesprochen: „Ue st^Ie e'est I'bomins" — nur
die Umkehr des lateinischen Wortes „guslis vir, tslis oretio": Wie der Mann,
so die Rede. Der Sinn ist beidemale der gleiche: der Mensch ist der Schöpfer des
Stils, Stil als Ausdrucksform genommen. So gibt es auch einen Gesellschaftsstil
wie einen persönlichen Stil; aber er kommt nur zustande, wenn der Ausdruck Form
geworden. Deshalb reden wir vor allem in der Kunst von Stil, deren Wesen die
Formung. DespiauS Wesen erfüllt sich ganz und gar in seinem Werk. Johannes
Jlmari hat uns ein paar Andeutungen über den Menschen gemacht. Er ist eine
ganz einfache, stille Natur, immer freundlich und geduldig; nur im Auge verrät
sich die leidenschaftliche, immer bewegte Seele. Schlicht ist DespiauS Außeres, und
so trägt er sich selbst vor. Bescheiden, zurückgezogen, ja einsam lebt er in einem
abgelegenen Quartier von Paris. Er könnte von der Jagd, die er leidenschaftlich
liebt, und vom Fischfang leben. Das Tier liebt er als Teil der Natur, in der er
Mitten drin steht, mit der er sich eins fühlt. Er arbeitet sehr langsam, besieht sich
sein Werk imnier wieder, es kritisch prüfend, liebevoll bis zur letzten Bollendung
vorwärtstreibend; so ist das Ziel seines SchasfenS nicht Reichtum noch Geld:
„>Ie rn'en iiebe pas ins!" — ich will mir nichts ÜbleS zuziehen, sagt er gerne;
nianchmal gebraucht er diesbezüglich noch kräftigere Ausdrücke. Wie er selbst in
seine Arbeit sich versenkt, erwartet er auch von anderen eine derartige Aufnahme;
so liebt er es nicht, sein Werk dem flüchtigen Eindruck einer Ausstellung preis-
zugeben. Über alleS ist er auf seine Freiheit bedacht und macht deshalb keinerlei
Zugeständnisse. Die Reinheit seiner Gesinnung und seine Vorliebe für die klare,
gehaltvolle Form zeigt auch seine Vorliebe für Mozart, Bach, Palestrina nnd die
alten Franzosen. Doch kann er, wie in seiner Kunst, andere und anderes genießen;
auch darin seinen sachlichen Sinn, die Weike wie Vornehmheit seines Wesens
offenbarend. Die lateinische Klarheit läßt die Kunst DespiauS, im Zusammenwirken
mit dem bisher Bedachten, Plaftik im idealen Sinn werden. Man kann an ihr
v>ie an einem Urphänomen erklären, was Bildhauerei an sich ist und will: drei-

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