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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

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Heft 2 (Novemberheft 1929)
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Buchheit, Gert: Über den Totentanz
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Hofmiller, Josef: Über E. G. Kolbenheyer
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0115

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in der in nuce die ganze Kulkurgeschichke der damaligen englischen Gesellschafk
launisch und derb, schars und kreffend ironisierk wird. Doch erst die gesam-
melte Wuchk einer revolukionären Epoche kreibk das Thema auf einen neuen
Höhepunkt. Alfred Rekhels Holzschnikkfolge gibk, in der Wahl der Mikkel
einem Holbein kongenial, dem polikischen Hexenkessel der achkundvierziger Jahre
das überzeikliche Gesichk. In feiner, bis ins Lehke abgewogener Satire enklarvt
er den unfterblichen Bolksverderber Tod als den eigentlichen Sieger im Kampf
der Parkeien. Daher isl auch seine Schöpfung weniger der Ausdruck eines
warnenden „memsntc, mori", wie es die mikkelalkerlichen Tokenkänze ver-
sinnbildlichen, als das Symbol des germanischen Pessimi'snms und des mora-
listisch starren TroHes, der in seinem Begriffe zn liegen scheink. Der Tod —
der Lehrer des Lebens, der große Befreier des Geistes, der uns zwingk, in
unsere lehke Tiefe zu fteigen —, die dunkelglühende Goktheik, die die wieder-
erftehend Skerbenden lehrk, daß an der eigenen Dual sich mehrek das eigne
Wissen —, er hätke auch, so mußken wir angesichks des furchkbarften Token-
Lanzes aller Zeiken, des WelLkrieges, erwarken, in den Iahren igi^—1918
zum überwindenden und warnenden Sinnbilde werden können, aber dem
gewalkigen Mykhus fand sich wider alle Vermukung kein genialer Erfüller.
Woher dies auffallende Schweigen in einer Zeik, in der die beflügelken
Reiker Hunger, Krieg, Krankheik und Tod durch die schaurige llkacht cines
vierjährigen Mordens rasten? Nur eines ist möglich: dieses Erleben war
zu gewalkig, als daß Menschenhand es zum Sinnbild unserer Tage zu
formen vermochke.

Über E. G. Kolbenheyer

Von Josef Hofmiller

^T-s gibk Künstler, deren Schaffen auf keine Formel zu bringen ift; nichk
^-^nur ihr Werk als Ganzes, sondern auch das einzelne, innerhalb des ein-
zelnen die einzelne Gestalt. Sie sind vi'eldeukig, sprechen ihr Geheimnis nichk
aus, sagen uns zu verschiedenen Malen Derschicdenes. Rkicht, daß sie wider-
spruchsvoll wären in sich selbst, im Gegenkeile spüren wir unker jeder ihrcr
Äußerungen eine unveränderliche Einheik. Aber diese Einheik ist im leHLen
Grunde unerklärbar wie das Leben selbst. Wo wir glauben sie auszulegen,
legen wir nur uns hinein, und das Lebendige entschlüpfk uns. Ewig müßig ist es,
die innere Anschauung ins MeH des Begrifflichen zu fangen: die Fische zerrei-
ßen die Maschen, und nur leeres Gespinst bleibt unker den Händen.

Dem Schaffenden selbst ist die Deukung seines Wesens unmöglich. Naemand
kann sich selbst erkennen, am wenigsten der Künstler; denn seine Gestalten
sind mehr als er selbst, wachsen ihm über den Kopf, leben ihr selbständiges
Dasein und werden ihm fremd, so daß er in ihnen die cigenen Züge nicht
wiederfindek. Ungestümer Erkennknisdrang ist für den Künstler eine Monien-
gabe: Geschenk und Zwang zugleich. Er kann sie nicht von sich kun. Er kann
sie nur durch Gehorsam zwingen, ihm zu dienen. Das Ringen, das in ihm
selbst ist, wird in seinen Werken sein, in jeder seiner großen Gestalken.
Aber alle zusammen sind noch nichk er: es bleibk ein Rest, der niemals
„aufgeht".

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