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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

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Heft 6 (März 1930)
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Heiseler, Henry von: Marginalien
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0444

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durch Musik uud PanLomime: Oper,

durch Tanz und Musik: Ballett,

durch Farbe und Raumfläche: Malerei,

durch dreidimenslonalc Raumschnitte: Skulptur, ArchiLektur.

Um Mißverständnissen vorzubeugen, bemerke ich hrer noch, daß alle Kunst
visuell, opLisch wirkt, d. h. sie erzeugt Visioiien, Gesichte, welche ihrerseits die
soellsche Bewegung im Empfangenden auslösen. Außerdem ist das Mysterium
des „Rhythmus" allen Künsten gemeinsam.

Fch resümiere nunmehr kurz den Fall Schiller. Gewiß ist Shakespeare der
größere Dichker, bei ihm wirken Sprache und Pankomime miL gleicher Ge-
watt, während bei Schillcr die PanLomime überwiegk. Doch isi die Schiller-
sche PanLomime so gewattig, daß seine Mängel baneben unwesentlich blciben.
Schillers stärksier Widersacher — Otto Ludwig — hak bei der BeurLeilung
das überschen, was das allerwichkigste ist. WeiL mehr Rechk HLttcn er und
die andern, wenn sie ckwa sagten: bei Shakespeare, Kleist und ähnlichen Dra-
maLikcrn erzeugk die Sprache die PanLomime, es ist ein Mangel Schillers,
daß bei ihm die Pankomime sogar der Sprache gcgenüber das Primäre ist.

X.

Die russische RevoluLion hak viele Erscheinungen mik sich gebrachk, die das
Leben schwer, mikunLer kaum erLrägllch machen. Was aber mir — in meinem
persönlichen PrivaLleben — am lästigsten ist, das ist die AufdringllchkeiL der
staaklichen und gesellschaftlichen Dinge, all der RkichLigkeiLen imd Belang-
losigkeiten, welche beständig die wahren und wichkigen menschlichm Dinge zu
erdrücken suchen. Ein Professor wird mik Gewatt auf die Schulbank gesetzk
und man sagk ihm das Einmaleins vor als einzige WeisheiL und als höchstes
Heil. Dröhnender Gassenhauer, die Melodien Mozarks überkönend.

(AuS dem Ilachlaß Heiselers. Geschricben 1920/21 in Rußland.)

Zu unseren Bildern

X hilipp Foltz (i6c>Z—1677). Ein Rheinländer ans Bi'ngen, der in die Cor-
"^neliuS-Richtung deS romanüschen Münchens gehörte. Einer der weni'gen, die
selbst in den großen Histori'enbildern, die damals das Jdeal der Malerei gewesen,
einen koloristi'sch-realistischen Sinn zeigten. Seine Darstellungen repräsentativer
Gründunggfeiern in den Münchener Hofgarten-Arkaden, zwei Bilder im Maximi-
lianeum und kleinere Jlluftrationen zu Dichtungen von Schiller und Bürger in der
Residenz erweisen das ebenso wie sei'ne zahlreichen Genrebildchen. Aber nicht des-
halb wollen wir den Künstler der Bergessenheit entreißen, sondern weil man an
seiner Architekturstudi'e aus Bingen die sachliche Einstellung der Biedermeierzeit mit
der unserigen vergleichen und sich hieraus deren Art wieder bewußter machen kann. Das
Blatt beansprucht keinerlei sonderliche Qualität; eö ist nur eine Studie, kein sertiges
Bild. Aber gerade um dessentwillen ist es interessant. Weil Foltz den Wirklich-
keitsei'ndruck möglichst genau festhalten will, gibt er mit sast ängstlicher Pedanterie
das Gedrängte deS alten Diertels, Form und Farbe der Häuser, die Art ihrer
Oberslächenerscheinung. Für unser heutiges Gesühl wirkt das Blatt beinahe dilet-
tantisch in seiner Umständlichkeit; man beachte daS strichelnde Versahren in man-
chen Dächern, im HerauSstellen des Fachwerks, in der Brüchi'gkeit des Mauerwerks,
das Tüftelige in den Gefährten u. a. Weil dieS aber mit erfühlbarer Hingabe und

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