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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

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Heft 4 (Januar 1930)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0309

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inachung des Äußeren verschwunden: eine gesunde bürgerliche Gleichheit umfaßt
das Ei'nfainilien- tvie Etagenhaus, gleichgültig, ob es große oder kleine Wohnungen
birgt. Dadurch ersteht auch architektonisch ein schlichteres nnd klareres Gesamtbild:
Die Blöcke haben viel Licht und Luft zwischen sich, sind durch Lauben und Veran-
den aufgelockert, nicht selten durch Dachgärten belebt und mit Gartenland verbun-
den. Auch der Anschluß an die Landschaft, das Verwachsensein mit ihr, ist in den
guten Anlagen durchwegS geglückt. Man beachte sür all dies Praunheim oder
Ginnheim, die Anlagen von Kaiserslautern oder Remscheid. DaS Ungewohnte rn
der Blockbehandlung, in dcr Anlage der breiten Fenster, des dachlosen Baukvrpers
sind Neuheiten, die innerlich begründet sind und damit viel mehr Berechtigung
haben als zahlreiche Modencuheiten, die man unbedenklich hinnimmt und mitmacht.
Man besehe sich vorurteilslos, wie die Häuser zur Gruppe sich schließen, wie sie
an breiten und weiten Straßen und Plätzen stehen, wie der zugehörige Garten
ihnen einen traulich-heimeligen Charakter verleiht. Man gebe sich die Mühe, einige
der Grundrisse zu studieren. Darauf verwendet eine große Anzahl hervorragender
moderner Architekten alle Findigkeit und Sorge; und es ist schon viel Brauchbares
erreicht worden. Wenn man sich erinnert, wie langsam in srüheren Zeiten die
Wohnung sich gewandelt und wieviel Unpraktisches durch Jahrhunderte sich sort-
geschleppt hat, so muß man auch hierin das rasche Tempo unserer Zeit aner-
kennen, ja dankbar bewundern. Natürlich bleibt noch mancherlei zu wunschen;
selbstverständlich haben wir noch Kinderkrankheiten durchzumachen — aber daö
bleibt gegenüber dem Erreichten nebensächlich. Ein besonderer Vorzug auch der
kleinsten Wohnungen bester moderner Siedelunqen ist ihre Sonnen- und Luft-
haltigkeit, die keinen dunklen Winkel mehr auskommen läßt: das macht auch den
beschränkteren Raum sreier und leichter. Am ehesten könnte man hinsichtlich des
kleinsten Typs von ^2—gm Wünsche haben — an dieser Knappheit sind aber
nicht die Archikekten schuld, sondern die Not der Zeit. Die Architekten bemühen sich
auch hier, aus der Not eine Tugend zu machen. Daö Neue dieser Wohnbauten
liegt also nicht so fast in ihrer vielen noch ungewohnten Erscheinung, als vielmehr
in ihrem Inneren, als neuer Orgam'smus, und ihrer menschenfreundlichen Ge-
sinnung. Deshalb lasse man sich durch die Einwändc jener, die nur sormale Be-
denken haben, noch dazu unter einseitiger Berufung aus die srüheren Stilformen,
nicht weiter beeinflussen: auch hier müssen der gesunde Menschenverstaud und die
Forderung der Zeit über Deraltetes siegen. — DaS Material sür unsere Architektur-
bilder ist der von Guido HarberS geleiteten und im Verlag Georg D. W. Callwey
in München erscheinenöen Monatsschrift „Der Baumeister" eutnommen, öie oor
allem nn't ihren khematisch geschlossenen Sonderheften (Einfcnm'lienhaus, Siedlungeu,
Weißenhofstedlung, Kirchenbauten, Sport- und Badeanlagen nsw.) auch für den
Laien von stärkstem Jnteresse ist. I. P.

Umschau

Ein Dichter der Iahreszeiten
(Guido Gezelle, geboren iLzo)
es ursprünglichen Dichterö Herz
schlägt wunderbar genau im Takt
der Gezeiten; die wechselnde Musik, mit
welcher Sommer, Herbst, Winter und
Frühling das Jahr erfüllen, ist seinem Er-
leben und Produzieren zuinnerst eingewo-
ben, und selbst im Geistigsten, was ihn be-
wegt, schwingt noch ein Widerklang ihrer

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Harmonien. Jn ihm erneuert sich immer
wieder die uralte Kongruenz von Mensch
und Jahreskreiö. Der neuere Dichter,
großstädtischer Herkunft und WirkungS-
weise zumeist, muß dicses hohen GuteS
entbehren. Freilich spiclen jene Töne auch
über seine Seele hin, aber viel gedämps-
ter, geisterhafter und gespenstisch oft und
vor allem nicht mehr in Übereinstimmung
mit ihr. Ja, je unerbittlicher sehend er ist,
um so deutlicher wird er die Tatsache der
 
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