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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

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Heft 3 (Dezemberheft 1929)
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Alverdes, Paul: Bemerkungen zur Buch-Kritik in Deutschland
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Rang, Bernhard: Volk und Volksbildung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0175

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und der Bildenden Künste ist. Die Beobachtung der likerarischen Produküon
dagegen ist die Sache der meist ohnedies überlasteten Feuilleton-Schriftleiter.
Diese suchen sich dann zu helfen, indem sie die Eingänge fchubweise aus möglichst
harmlose und möglichst billig funktionierende Gelegenheits-Mitarbeiter ver-
teilen. Die Folge davon ist der oben angedeutete Zustand unserer öffentlichen
Kritik. Es ist zu fordern, daß alle unsere großen Blätter sich endlich entfchlie-
ßen, die literarifche Produktion der Gegcnwart mit den gleichen strengen Maß-
stäben zu messen, die für die andern Künste glücklicherweise zum Teil noch m
Geltung sind. Schlechkes Theater, fchlechte Musik, fchlechte Malerei haben
in Deutfchland im allgemeinen wenig Aussichk, bei den großen Zeitungen und
also auch bei deren Publikum ihr Glück zu machen. Wie lange sollen es fchlechte
Bücher noch dürfcn?

Volk und Volksbildung

Bon Bernhard Rang

^H^ir leben in einer Zeik des Übergangs, der ümformung, der jäh gewalt-
samen wie lautlos verborgenen Neu-Qrdnung alk gesicherten Erbgutes.
Niemand hat Ausmaß und Tiefe dieser chaotifchen Zeit eindeutig erfahren, nie-
mand konnte ihr die sie im Wesen ansprechende Parole sagen. Es gibt viele in-
haltsfchwere und inhaltsleere Parolen des Geistes und der Seele, die ihr znge-
rufen werden. Neben dem sortfchrittlichen, dem revolutionären, dem naturwis-
senfchaftlichen und technifchen Zeitalter, neben der Zeit der Aufklärung, der
Ausbreikung und des Verfalles des Bürgertums, neben dem zweckhast ökonomi-
fchcn und amerikanisierten Aeikalter lebt in Einzelnen und Bolksfchichten ver-
borgen fchon (oder wieder) ein anderes Zeikbewußtsein her, dessen Name und
Benennung uns noch nicht gegeben ist. 2lber wir haben Anzeichen und Zeichen
dieses „Neuen", wir haben dort und hier das Wort der Dichkung, wir be-
ginnen wicder Gefchichte als ein übermenfchliches Gefchehen zu begreifen, und
ihre heroifchen Träger, die Bewcger des Menfchengefchehens, werden mik
neuer Liebe gesehen, wir stoßen auf volkhafte Elemente, wie wir den Boden,
die llmwelt und Mitwelk, die konkrete Daseinssikuation neu und sachlich
aufrichtig immer wieder zu erkennen uns bemühen.

Gerade der Durchbruch zum Volk, zum Bolkhaften ist zur ernstesten Angelegen-
heit vieler Kreise geworden, und es hat sich — aus den verfchiedensten Ansätzen
her — eine Bolksbildungsbewegung entwickelt, die, im öffentlichen Leben zwar
noch immer nicht gcnügend erkannt und anerkannt, dennoch bereits cine weit
verbreikete, amkliche wie vor allem freitätige Organisation sich gefchaffen hak.
Es ist an dieser Stelle fchon mehrfach auf die Bestrebungen dieser Bewegung
hingewiesen worden, zuleHk noch einmal, programmatifch zusammengefaßt, von
Ernst Michel (März-Heft des „Kunstwarts"). Wir eignen uns insbesondere
seine Formulierung der Erwachsenenbildung als Notstandsbildung an, deren
Sinn ist, die volkhaften Kräfte in uns Einzelnen zu entbinden und so den Weg
zu einer Bolkwerdung freizmnachen. Doch möchten wir angesichts der heute
üblichen Bolkserzieher-Parolc, Volksbildung sei Bolk-Bildung, Bildung zum
Bolk hin, auf die Problematik solcher fchlagwortartigen und das Gewirre der
hier auftauchcnden und Antwort hcifchenden Fragen allzu einfach lösenden

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