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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1929)
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Alverdes, Paul: Bemerkungen zur Buch-Kritik in Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0174

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drchL ist, und die Unkerscheidung von Schreiberei, SchrlfLstellerei nnd Dichtung.
Denn das ist nichL sowohl die Sache des ästheLischen Begreisens und Durch-
schauens, als vielmehr diejenige der innersten Empfindung.

Um die Begnffe zu klären: Schreiberei nenne ich — um beim Epischen zu
bleiben — die sormlose Aneinanderreihung von allerlei Vorgängen, deren
Summe nach dem Wahn oder der Anmaßung der AuLoren irgendeinen Sinn
ergeben oder irgend eLwas mik dem Leben zu Lun haben soll; cilien Roman
von Anny WoLhe also oder einen von Nudolf Herzog. SchrisLstellerei, um
sogleich von ihrer großarkigsten Form zu sprechen, nenne ich die Epik der
Heinrich Mann, Flake, Schickele, Döblin ckwa, die sich nichk selten dem rein
DichLerischen nnnäherk. DichLung nenne ich, um nur den einen hier anzuführen,
die Epik Hans Carossas. Lassen wir die Schreiberei von vornherein beiseike,
so wird der UnLerschied zwischen Schriskstellerei und DichLung vielleicht deut-
llch, wenn ich sage, daß wir in den Werken der ersteren etwas erkennen: Men-
schen, Tiere, LandschasLen, bewegt und unbewegk, wie aus einer guten Zeichnung
von der 2lrL der Zeichnungen für illustrierke BläLLer, während wir in den
Werken der Dichtung wiedererkennen: uns selbst, den Inbegriss nnd die Essenz
unseres Daseins, die Summe unseres gegenwärtigen und aller vorgelebken
nnd zukünftigen Leben aus eine geheimnisvoll unbegreisliche und unmeßbare
Weise ost in einem einzigen SaH, einer einzigen Wendung sichkbar und hörbar
gemachk. Legen wir eine Zeichnung von Fritz Koch-GoLha neben eine von
Alfred Kubin: aus der ersteren erkennen wir nur das, was gezeichnek ist, einen
Bürger also oder einen Dackelhund; das BlatL Kubins enthält, gleichviel
was es motivisch bchandle, zugleich die geheime Lust und Angst der ganzen
Well, der sichtbaren und der unsichkbaren Dinge. Der cine ist ein Zeichner,
der andere ein Künstler, ein Schöpser, ein Dichter.

Die Zahl der SchrisLsteller bei uns ist Legion, ihre Werke sind unübersehbar,
ihre Rangstufen zahlreich, die zwischen ihnen möglichen UnLerschiede gcwaltig.
Sie zu lesen ist häufig angenehm, unLerhalkend, nützlich, belehrend, sördernd,
erfreuend und anregend. Die Zahl der DichLer ist gering, ihrer Werke sind
wenig. Sie zu lesen ist notwendig und für den wahren Menschen unentbchrlich.
Was ist nun von einer öffentlichen KriLik zu hallen, die in der Mehrzahl der
Fälle allc Begriffe auf das liederlichste verwirrk, das Blödsinnige sinnvoll,
das UnLerhallcnde unentbehrlich und das Nvtwendige angenehm nennt? und
was ist zu tun und zu fordern?

Zu Lun ist: der heillosen Über>chätznng der bloßen Schriftstellerei überhaupL
bci uns auf jede Weise enkgegenarbeiten; ihre Produkke getrost sür nllensalls
entbehrlich und vergessenswert erklären oder doch nicht für etwas loesenhast
anderes als jedes sonstige ehrlich erarbeitete Produkk auch. Zu fordern ist die
Hilfe der Presse wie jeder andern öffentlich wirkenden Macht im Kamps gegen
die Flachheit, AhnungslosigkeiL und UnzulänglichkeiL der sogenannten Buchbc-
sprechungcn:Abschaffung des RezensenLen-llnwesens, das sich in der wahllosen
VerzeLLelnng und VerLeilung des einlaufenden Makerials an irgendwelche Di-
lettanten und ZgnoranLen äußert; BerboL des Rkachdruckes von Waschzelleln.
Endlich: jedes große BlaLL hat einen oder sogar mchrere Neserenten, deren Auf-
gabe ausschlleßlich die Beobachkung des zeitgenössischen Theaters, der Musik

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